Egal, mit welchem Einzelhändler aus dem Bereich untere Schloßstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Leineweberstraße und Kohlenkamp man sich über die zum 19. Juli geplante Schließung des Tengelmannmarktes an der Leineweberstraße/Ecke Friedrich-Ebert-Straße unterhält. Die Worte Katastrophe oder katastrophal hört man immer.

Auch einige Kunden schalten sich spontan ins Gespräch ein, wenn sie das Stichwort Tengelmann-Markt hören. „Ich selbst habe dort gerne zwischendurch oder nach Feierabend eingekauft. Aber für viele ältere Kunden, die auf einen Rollator angewiesen sind und die schlecht zum Forum kommen, ist die Schließung eine Katastrophe“, sagt Ingrid Lucchese von Radio Kaiser. Ihr Kunde und Nachbar am Kohlenkamp, Wilfried Bruns, pflichtet ihr bei: „Die Innenstadt und die angrenzenden Wohnquartiere an der Ruhr sind doch stark bewohnt. Ich kann mich ja noch ins Auto oder aufs Fahrrad setzen, aber für ältere Menschen wird es grenzwertig, wenn sie demnächst noch nicht mal mehr einen Joghurt in der Nachbarschaft kaufen können.“

Auch Klaus Bloem, der an der Leineweberstraße die Buchhandlung Röder betreibt und am Dudel wohnt, sagt: „Man denkt, es geht nicht mehr tiefer und doch sinkt das Niveau immer weiter ab.“ Mit seiner Mitarbeiterin Gabriele Laucke ist er sich einig: „Eine Grundversorgung muss doch sein. Essen und trinken muss man doch auf jeden Fall.“ Beide glauben deshalb, dass ein wie auch immer gearteter Einzelhändler, der die Tengelmann-Lücke in der City schließen würde, seine Stammkundschaft fände.

Der unmittelbare Nachbar des Tengelmann-Marktes, Samy Siam, vom Cafe und Restaurant Cleo, kann die Schließung des Marktes nicht nachvollziehen. „Ich beobachte das hier jeden Tag und stelle fest, dass der Markt bis 20 Uhr immer einen sehr guten Kundenstrom hat.“ Siam sieht im Wegfall des letzten City-Supermarktes „einen Rückschlag für alle, weil wir dadurch weniger Laufkundschaft haben werden und die Ecke hier unbelebter und dunkler werden wird.“

Serkan Kaplan, der am Ruhrpoint (Friedrich-Ebert-Straße) Handys und Smartphones repariert, ist sich mit Erol Kartal und Imad Dali vom gegenüberliegenden Friseursalon Dogan einig, dass vor allem die immer noch zu hohen Mieten den Einzelhändlern in der Innenstadt das Leben schwer machen. „Für unseren Standort ist es schlecht, wenn sich alles ins Forum verlagert“, sagt Kaplan. Das sehen auch Bärbel Triebel vom gleichnamigen Reisebüro und ihre Mitarbeiterin Elke Klages so. „Jedes Geschäft, dass hier schließt, schadet uns. Wir haben zwar viele Stammkunden, brauchen aber auch Laufkundschaft“, betonen sie und sehen den Tengelmann-Rückzug als „traurig und beschämend an“, nachdem der Markt erst 2011 umgebaut worden ist. Triebel und Klages könnten sich einen großen Markt im leerstehenden Woolworth-Gebäude vorstellen.

Dorothea Schaaf vom nahegelegenen Zeitungskiosk Scholl kann sich auch einen neuen Einzelhändler am alten Platz vorstellen, der mit einem guten Angebot seine Kunden finden würde, „wenn er was vom Arbeiten versteht und nicht nur die Zahlen, sondern auch die Menschen im Blick hat.“ An Politik und Wirtschaftsförderung appelliert Schaaf, sich „nicht nur um Prestigeprojekte, sondern auch um die Grundversorgung der Menschen in der Innenstadt zu kümmern, weil die ja auch etwas erwirtschaften und Steuern zahlen.“

Wirtschaftsförderer Tim Schiebold ist bereits dabei, Kontakt zu den Eigentümern der Immobilie an der Leineweberstraße aufzunehmen, um die Bedingungen für eine Neuvermietung zu klären. Angesichts von Marktgrößen zwischen 1200 und 1400 Quadratmetern, ist er aber mit Blick auf die 300 Quadratmeter eher skeptisch, „dass wir da wieder einen Lebensmittler hereinbekommen.“ Dass ein von Supermarktketten unabhängiger Einzelhändler mit einem ansprechenden Angebot und ohne großen Konkurrenten dort sein Geschäft machen könnte, will Schiebold nicht ausschließen, wenn die Hauseigentümer ihm mit der Miete entgegenkämen. Wie aus Fachkreisen zu hören ist, liegt die Handelmiete in vergleichbaren Marktimmobilien derzeit zwischen 11 Euro und 13,50 Euro pro Quadratmeter. Derweil hat der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mülheim und Business, Jürgen Schnitzmeier, die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch einen Vollsortimenter für den alten Tengelmann-Markt zu gewinnen.

Für Gilbert Germar, der noch bis August in seiner „Gummizelle“ an der unteren Schloßstraße Naschwerk verkauft, ehe er sein Geschäft zum Tengelmann-Markt an der Wissollstraße in Speldorf verlagern wird, beschreibt die Schließung des Supermarktes an der Leineweberstraße eine „Entwicklung, die nicht mehr rückgängig zu machen ist, weil kleine Märkte und Fußgängerzonen ohne Parkplätze nicht mehr zeitgemäß sind.“

Auch die an der Schloßstraße ansässige Engel-Apothekerin Masoumeh Hediehlou und ihr Nachbar, Hotelier Karlheinz Noy, sehen die Entwicklung vor ihrer Haustür mit Sorge und beklagen schlechte Erreichbarkeit und das Fehlen kostenfreier Kurzzeitparkplätze. „Das ist schon ein echter Absturz für die Nahversorgung “, meint Kunde Jürgen Keller, während sich Hotelier Noy „verbietet, nicht daran zu glauben, dass sich eine sinnvolle Nachfolgelösung für den Tengelmann-Markt finden lassen wird.“