Etwa 30 Fußballfans quetschen sich im Wohnzimmer von Freunden zusammen, auf Sofas, Stühlen, Bierbank und Boden. Drei Gäste aus Tansania sind auch dabei. Der Gastgeber hat über seinem ausladenden Flachbildschirm die deutsche und die tansanische Flagge gehisst, der Tisch biegt sich unter süßen und deftigen Leckereien. Vor dem Fernseher krabbelt ein Baby herum und winkt mit einer kleinen Deutschlandfahne in die Runde. Später wandert die Kleine von Schoß zu Schoß und ihr ist ganz egal, ob ein Bleichgesicht oder ein dunkelhäutiges sie anlacht. Auf dem Bildschirm geben Müller & Co schweißtriefend alles, unterstützt von unseren fachkundigen Kommentaren. Eine Frau im bunten Freizeitlook, tagsüber als Führungskraft in gedeckte Farben gehüllt, fordert die Spieler auf, nicht „rumzutüddeln“. Dann überlegt sie, ob wir die Süßigkeit, mit dem eine Dame aus Tansania das Baby füttert, politisch korrekt „Schaumgebäck mit Migrationshintergrund“ nennen sollen. Die afrikanischen Gäste finden, wir dürfen „Negerkuss“ sagen. Halbzeitpause. Ein junger Mann, der selbst eine Bewegungsstörung hat, erzählt mir, dass er als Integrationshelfer für einen geistig behinderten Jungen arbeitet und wie viel Freude ihm das macht. Ich zapfe das erste Bier meines Lebens und ein tansanischer Gast lacht sich kaputt, weil nur Schaum ins Glas sickert. Er zeigt mir, wie das richtig geht, und wir prosten uns zu. Was für ein herrlicher Abend: Die Fans jubeln über das 4:0 der wackeren Jogi-Truppe gegen die verwirrten Portugiesen. Wir fühlen uns sehr wohl zusammen in dem vollen Raum. Draußen sind wir Chefs und Azubis, Omas und Kleinkinder, Afrikaner und Europäer, sogenannte Behinderte und vermeintliche Normale. Leute mit Locken, kahlem Haupt oder Irokesenschnitt, in Anzug, Lederjacke oder Fußballtrikot. Wir schimpfen gemeinsam über Fouls, springen bei Toren in die Luft und amüsieren uns über Sätze wie „Do you want durch?“



Könnte es doch immer sein wie an diesem Abend.