Betrieb im Ausbesserungswerk Speldorf begann 1874. In der großen Zeit der Dampflokomotiven wurden von rund 2000 Beschäftigten über 1000 Maschinen pro Jahr gewartet. Halle II war die alte Dreherei.
Viel ist nicht geblieben von alter Eisenbahn-Herrlichkeit. Ein einsames Gleis liegt noch. An ihm hängt der Bahnbetrieb im Mülheimer Hafen. Nach und nach verschwanden die Relikte der Broicher Bahngeschichte, die namentlich auch immer Speldorfer Eisenbahngeschichte war. Leergezogen, verlassen, demontiert, abgerissen oder neu genutzt wurde das Terrain – was künftig für das Denkmal Halle II gilt und längst für den Betrieb der MVG.
Im März 1958 wurde das Ende des Ausbesserungswerks Speldorf, das als eines der rentabelsten der Bundesbahn galt und früh der Unterhaltung der preußischen Länderbahn-Dampfloks diente, beschlossen. Erstmals erwähnt wird die an den Bahnhof Speldorf angeschlossene Werkstätte für Lokomotiv- und Wagenreparatur 1874, hat Martin Menke von den Mülheimer Eisenbahnfreunden für das „Eisenbahnmagazin” recherchiert. „Bis dahin war die einzige Hauptwerkstatt der Rheinischen Bahn in Köln-Nippes, was lange Wege für schadhafte Fahrzeuge bedeutete.” Aus der Kölner Außenstelle wurde bald ein Standort mit 150 bis 200 Beschäftigten. Die RB betrieb zu der Zeit 453 Lokomotiven, 734 Personen- und 11 745 Güterwagen.
Rheinische Bahn
Nach Übernahme durch die Preußische Staatsbahn 1880 wurde die Richthalle um weitere Querstände erweitert, 1884 kam die Kesselschmiede hinzu, ferner eine Schreinerei und weitere kleine Anlagen. Zusätzlich wurde die Wagenabteilung durch Erweiterung der Richthalle vergrößert. Vor dem 1. Weltkrieg sollte eine grundlegende Modernisierung erfolgen. Die Wagenausbesserung wurde nach Duisburg-Wedau verlagert, was laut Menke „Platz schaffte für die Neugestaltung der 40 Jahre alten Anlagen. Bis dahin wurden jährlich 400 Loks und bis zu 20 000 Güterwagen untersucht.”
Die 135 m x 45 m große Richthalle für Lokomotiven wurde durch eine Schiebebühne von acht Metern Länge und einer Tragfähigkeit von 60 t erschlossen. Die Zufahrt erfolgte über eine 12-Meter-Drehscheibe. Bis 1902 wurden die Anlagen mit Strom von zwei stehenden Dampfmaschinen von je 75 PS versorgt. Aus einem Kesselhaus wurden die Dampfhämmer der Schmiede angetrieben. „Da auch größere Ersatzteile in Speldorf hergestellt wurden und die Schweißtechnik noch keine größere Verbreitung hatte, standen 16 Doppelfeuer, 300-kg- und 500-kg-Dampfhämmer und ein 750-kg-Fallhammer zur Verfügung”, so Menke.
750-kg-Fallhammer
Eine 1911 gebaute Halle in Trier lieferte das Vorbild für den Speldorfer Neubau. An der Duisburger Straße entstand die 254 m x 57 m große Richthalle mit drei Gleisen und 90 Ständen. Sie war eine der längsten Ausbesserungshallen der Deutschen Reichsbahn. Die neue Bauform optimierte die Arbeitsabläufe, außerdem konnte bei dieser Anordnung flexibel auf die geänderten Baulängen der Lokomotiven reagiert werden. Anfang der 1950er Jahre erstreckte sich das Betriebsgelände auf 800 m x 350 m. Auf dem 128 000 m2 großen Gelände arbeiteten rund 2000 Menschen an jährlich über 1000 Dampfloks. Neben der Wartung und Unterhaltung von Güterzug- und zunächst auch Personenzuglokomotiven standen in Speldorf auch Sonderaufträge an: Viele bei Krupp in Essen gebaute Loks starteten hier ihre Probefahrten.
Probefeld für Krupp
1955 stellte der für alle Werke zuständige Abteilungsdirektor fest: „Die Speldorfer Lokwerkstätten gehören zu den wirtschaftlich am besten arbeitenden Betrieben der Bundesbahn, wenn sie nicht sogar die Spitze einnehmen. Deshalb ist es unverständlich, dass man ausgerechnet Speldorf stillzulegen denkt.” Das Ende der Dampflokzeit warf seine Schatten voraus – mit Folgen für die Stadt, wie Menke darstellt: „ Der Bundestags-Verkehrsausschuss wollte das produktive Werk sogar erweitern. Doch die DB verlagerte zunächst 210 Reparaturaufträge an die AW Jülich, Göttingen und Trier. Da auch andere Dampflokwerke Überkapazitäten hatten, wurde Speldorf am 31. März 1959 geschlossen. Die Stadt Mülheim kaufte den größten Teil des Geländes für ein neues Straßenbahndepot und Industrieansiedlungen.”
Alle Bahn-Gebäude in Broich wurden zunächst weiter von der DB und ihren Mietern beziehungsweise den Betrieben der Stadt Mülheim (heute MVG) genutzt. 2007 rückten schließlich die Abrissbagger an. Die denkmalgeschützte alte Richthalle I, die in den Zeiten des Kalten Krieges als Getreidelager diente, wurde abgerissen, später auch benachbarte Schuppen. Weiter genutzt wird die neue Richthalle als Aufstellfläche und Werkstatt für die Straßenbahnen aus Oberhausen und Mülheim, das Kesselhaus, die neue Dreherei als Werkstatt für Straßenbahnen und Busse und der Anheizschuppen. Die Halle II, die Alte Dreherei, will der Trägerverein Haus der Vereine mit neuem Leben füllen.