Mülheim.. Mit „Und dann“ gewinnt der Schweizer Autor Wolfram Höll den 39. Mülheimer Dramatikerpreis für seinen Erstling. Der Publikumspreis geht an Rimini Protokoll. Die Jury debattierte hitzig bis zum Schluss.
Christine Wahl, Sprecherin des Auswahlgremiums, hatte die Wahl und war bei der Debatte um die Vergabe des Mülheimer Dramatikerpreises das Zünglein an der Waage. Nach über zwei Stunden Diskussion der fünfköpfigen Jury hatte es um kurz nach Mitternacht im Finale ein Patt gegeben: Es stand 2:2 für René Pollesch und Wolfram Höll.
Als Wahl dann mit Lob für Pollesch und sein „Meta-Theater übers Begehren und Beziehungen“ ansetzte, seufzte die Riege in der Reihe nebenan schwer und atemlose Sekunden vergingen. Und dann die überraschende Wende, als Wahl das Stück „Und dann“ von Wolfram Höll favorisierte, da brach Applaus aus.
Dotiert mit 15.000 Euro
Damit gewinnt der in der Schweiz lebende junge Autor Wolfram Höll, geboren 1986 in Leipzig, als Mülheim-Debütant für sein Erstlingswerk den mit 15.000 Euro dotierten Dramatikerpreis. Damit wiederholt sich die Geschichte vom letzten Jahr, als der Preis an Katja Brunner ging – ebenfalls für ihren Erstling, dem Missbrauchsstück „Du hast gewackelt – Requiem für ein liebes Kind“. Und es gibt eine weitere Gemeinsamkeit, denn wie Brunner erzählt auch Höll die Nachwende-Geschichte über einen überforderten, alleinerziehenden Vater in der Plattenbausiedlung aus der Sicht eines Kindes (Schauspiel Leipzig).
„Ein Stück, das mir am meisten Spaß gemacht hat, zu lesen“, sagte Schauspieler und Jury-Mitglied Sebastian Rudolph: „Ich liebe das Musikalische daran, diese Sätze in immer wieder neuen Variationen.“ Es sei ein richtiges Stück mit Anfang, Ende, Figuren und einer Sprachqualität. Dem schloss sich Dramaturgin Eva-Maria Voigtländer an: „Welthaltigkeit, Gegenwart, Geschichte und eine großartige Form: Mehr kann ich von Theaterarbeit nicht erwarten.“ Pollesch mit „Gasoline Bill“ sahen Regisseur Stephan Müller und Theaterkritiker Christian Rakow vorne: „Das großartigste Stück, das ich hier gesehen habe“, brachte Müller lautstark an.
Hitzige Diskussion an einem heißen Abend
Es entwickelte sich eine hitzige Diskussion an einem heißen Abend, bei dem sich der Kritiker Jürgen Berger (Auswahlgremium) in der kritischen Pattlage sogar aus dem Publikum heraus einmischte und Moderator Tilman Raabke vorwarf, die Debatte Richtung Pollesch voranzutreiben. Raabke hatte zuvor versucht, die Wogen zu glätten und wies den Vorwurf ausdrücklich zurück: „Ich wollte eine Frage stellen – als mitdenkender Mensch.“
Überhaupt hatte es der Moderator schwer, die Jury-Debatte mit dem komplizierten Reglement über fünf Runden zu regeln. Bis zum Finale hatte die Jury über zwei Stunden lang sachlich, sehr ausführlich, am Schluss fast schon gebetsmühlenartig und enervierend ihr Pro und Kontra ausgetauscht. Das Publikum hatte auch klare Favoriten gewählt, aber andere: Rimini Protokoll mit Qualitätskontrolle (Platz 1), Rebekka Kricheldorf mit Alltag & Ekstase (2) und Philipp Löhle mit Du (Normen) auf Platz 3.