Wäre Norbert Striemann zum Beispiel Lehrer oder Krankenpfleger oder Betriebswirt – er könnte heute weiter seinen Job ausüben und zugleich sein gewonnenes Ratsmandat wahrnehmen. Nun leitet er aber seit fast 15 Jahren hauptberuflich die Fraktionsgeschäftsstelle der Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI). Nach der Wahl ist das vorbei. Fraktionschef Lothar Reinhard kündigte, weil auch Striemann für die MBI in den Rat einzieht.
Beide Posten, so Reinhard, führten zu ständigen Interessenkonflikten, das sei unvereinbar. „Um den Arbeitsplatz zu behalten, hätte ich mein Mandat, das mir letztlich Bürger gegeben haben, an die Fraktion abtreten müssen“, berichtet ein enttäuschter und verärgerter Striemann. Für ihn stellt sich die Frage: Darf ein Arbeitgeber jemanden wegen eines politischen Ehrenamtes kündigen?
Wie vor ein paar Tagen im Fall des von der CDU abgesetzten Bürgermeisters Markus Püll fühlt sich auch hier ein Politiker nach der Wahl von der eigenen politischen Gruppe abserviert. Im Fall der MBI fast schon erpresst. Dabei war Striemann zumindest vorgewarnt: Bereits im November schickte Reinhard ihm eine „vorsorgliche Kündigung“ zu. Begründung: Es sei nicht abzusehen, ob die MBI wieder in den Rat einziehen würden. Doch daran, dass die MBI wieder im Rat als Fraktion vertreten sein würden, zweifelte Striemann nicht. Seiner Bitte, die Kündigung bei Einzug in den Rat aufzuheben, sei die Fraktion aber nicht nachgekommen. Kritik an seiner Arbeit habe es aber auch nicht gegeben.
Erster echter Unmut kam auf, als die MBI-Mitglieder im Frühjahr Striemann nach Lothar Reinhard und Hans Georg Hötger auf Platz 3 für den Rat nominierten. „Das passte einigen nicht“, sagt Striemann. Spätestens da hätte er erwartet, dass man ihn vor die Wahl stellt: Arbeitsplatz in der Fraktion oder Ratssitz? „Darüber wurde nicht gesprochen“, sagt Reinhard. Er sagt aber auch, bei einem Verzicht auf das Rats- und Bezirksvertretungsmandat hätte man über einen neuen Vertrag nachgedacht.
Gilt eine Ratsfraktion vielleicht als Tendenzbetrieb, der anderen Regeln unterliegt? Striemann holt sich Rechtsbeistand. Für ihn, sagt er, gehe es um seine Existenz. Offen ist, wie es politisch in den MBI weitergeht, die mit fünf Vertretern im Rat sitzen und die das mit Abstand stärkste Bürgerbündnis stellen.
Die SPD hat im Grunde die gleiche Situation: Auch dort ist der Fraktionsgeschäftsführer, Claus Schindler, nun Ratsmitglied. Interessenkonflikte sieht man dort jedoch nicht.