In unserer WAZ-Serie kommen die Autoren der diesjährigen Mülheimer Theatertage zu Wort. Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll stehen heute Rede und Antwort.
Was verbinden Sie mit der Stadt Mülheim?
Mit Mülheim verbindet uns vor allem, dass wir 2008 dort mit unserem Stück ‚Karl Marx: Das Kapital, Erster Band’ aufgetreten sind und tatsächlich den Dramatikerpreis und den Zuschauerpreis bekommen haben. Die Überraschung war auf allen Seiten groß und die Ehrung hat eine hitzig geführte Debatte ausgelöst, die wir sehr wertvoll fanden. Es es wichtig, neue Theaterformen zu wagen und somit auch die Begrifflichkeiten, „was ist hier ein Stück, ein Dramatiker, ein Protagonist“, neu zu definieren.
Wovon erzählen Sie in „Qualitätskontrolle“?
Im Zentrum dieses Stückes befindet sich eine junge Frau, mit der wir über Lebensqualität und das Recht auf Leben reflektieren. Sie selbst ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt und musste ihr eigenes Leben unter diesen anderen Vorzeichen neu lernen. Sie ist ein ungeheuer lebensfreudiger, humorvoller und risikobereiter Mensch. . .
Wie war der Entstehungsprozess des Stücks?
Unsere Ausgangsfrage war eigentlich, inwiefern neue Möglichkeiten der Pränataldiagnostik werdende Mütter und Väter in eine Zwangslage versetzen: Die medizinische Forschung arbeitet daran, dass wir immer mehr Informationen vor der eigentlichen Geburt eines Menschen bekommen. Wir sind in Gespräche mit Genetikern und Eltern bzw. behinderten Menschen gegangen mit der schwierigen Frage, was wir mit so einem Wissen machen können – hilft das, über ein zukünftiges Leben zu urteilen?
Haben Sie eine Lieblingsstelle im Text? (Und verraten Sie sie uns?)
Es ist sehr schwierig, eine einzelne Stelle herauszugreifen. Aber es gibt einen Moment, der immer zu einem wunderbaren Comic-Relief im Publikum führt. Die Schwester unserer Protagonistin ist geistig behindert und lebt in einer anthroposophischen Einrichtung. Eines Tages erzählte uns Maria Cristina ein Erlebnis, der Eingang in den Text gefunden hat:
„Ich bin zu Besuch bei meiner Schwester im Tennental.
Eine Frau aus der Wohngruppe baut sich vor mir auf: Was ist mit deinen Armen?
Ich sage: ,die kann ich nicht mehr bewegen.’
Was ist mit deinen Beinen?
Ich sage: ,die kann ich nicht mehr bewegen.’
Sie schaut mich an und sagt: Naja: Hauptsache gesund.“
Ist unter den anderen nominierten Stücken eins, das Sie besonders spannend finden, gesehen haben und schätzen?
René Pollesch ist großartig!