Mülheim. . Tengelmann, Rewe und andere Einzelhändler drängen in die Peripherie vom Stadtteilzentrum Saarn an der Düsseldorfer Straße. Stadt, Industrie- und Handelskammer sowie Einzelhandelsverband wollen sich gehörig strecken, um weitere Ansiedlungen „auf grüner Wiese“ zu verhindern.
Die Stadtplanung steht unter Druck, die Zukunft des Stadtteilzentrums in Saarn zu sichern. Weitere großflächige Einzelhändler streben in die Peripherie des Ortskerns an die Düsseldorfer Straße.
Eine millionenschwere Kaufkraft droht den Kaufleuten im Dorf Saarn verloren zu gehen. Die Stadt will sich nun mit Händen und Füßen wehren, dass „auf der grünen Wiese“ nördlich des Stadtteilzentrums ein Sonderstandort entsteht, der ähnlich fatale Wirkungen entfacht wie seinerzeit an der Weseler Straße in Speldorf und am Heifeskamp in Dümpten.
Tengelmann und Rewe wollen neue Märkte eröffnen
Aldi, Lidl, zwei Getränkemärkte – all dies ist bis heute schon im Umfeld des Saarner Ortskerns ansässig geworden. Wie berichtet, will auch Lebensmittelhändler Tengelmann raus aus dem Saarncenter und wenige hundert Meter weiter, aber abseits des definierten Handelszentrums, größer bauen lassen (1200 m2 Verkaufsfläche und bessere Parkplatz-Erschließung).
Nun hat sich dem Vernehmen nach über den Investor Ten Brinke Rewe das Apeltrath-Grundstück neben Audi Wolf gesichert, um dort einen Markt zu bauen. Für ein Grundstück neben Lidl hat Eigentümer UHB im Vorjahr erfolgreich gegen einen eilig von der Politik verabschiedeten Bebauungsplan geklagt, der Einzelhandel an dieser Stelle ausschloss. Erst im Februar wehrte die Stadt, zumindest vorerst, die Rewe-Bauvoranfrage ab, indem die Politik für den Bereich ein neues Bebauungsplanverfahren in Gang setzte. So kann die Bauvoranfrage laut Planungsamtsleiter Jürgen Liebich vorerst für ein Jahr zurückgestellt werden.
Liebich (Planungsamt): Weiteren Sonderstandort verhindern
Die Stadt ist in der misslichen Situation, rechtlich nur noch schwerlich Argumente gegen weitere Ansiedlungen fernab des Ortskerns finden zu können. Zu sehr hat sie es in grauer Vergangenheit versäumt, erste Ansiedlungen an der Düsseldorfer gen Kassenberg zu verhindern.
„Wir müssen in den nächsten Monaten mögliche Entwicklungen für Saarn definieren“, kündigt Planungsamtschef Liebich Arbeiten an einem neuen Masterplan Einzelhandel an. Es gelte, einen dritten Sonderstandort à la Heifeskamp/Weseler Straße zu verhindern.
Zakrezewski (IHK): „Wir müssen was tun für Saarn“
Die Neubaupläne von Tengelmann und Rewe an der Düsseldorfer Straße dürften motorisierte Verbraucher freuen, die gerne mit dem Auto am Supermarkt vorfahren. Für die Stadtplanung beschreibt die aktuelle „Causa Saarn“ ein Dilemma: Mehr großflächiger Einzelhandel „auf grüner Wiese“ nimmt den gewachsenen Nahversorgungszentren Frequenz.
Bemerkenswert sei, so der stellvertretende IHK-Geschäftsführer Guido Zakrezewski: „Der Einzelhandelsstandort Saarn funktioniert weiter hervorragend – auch mit Blick aufs Ruhrgebiet.“ Es sei angesichts der aktuellen Ansiedlungsbemühungen im Umfeld hohe Priorität anzusetzen bei der Aufgabe, dieses Nahversorgungszentrum vor weiterer Konkurrenz auf grüner Wiese zu schützen.
Mit weiteren maßgeblichen Akteuren und der Stadt ist die IHK im Konsultationskreis Einzelhandel vertreten. Dort war der Schutz der Nahversorgungszentren unlängst schon Thema. Unter Hochdruck will die Stadt einen neuen, dann gerichtsfesten „Masterplan Einzelhandel“ erarbeiten. Im Herbst soll der Politik ein erster Entwurf hierfür präsentiert werden. Der Plan soll umreißen, welche Entwicklung der Einzelhandel an einzelnen Standorten nehmen darf.
Heistermann (Einzelhandelsverband): Schlimmeres verhindern
IHK und Einzelhandelsverband wollen endlich größere, vor allem rechtssichere Schranken zum Schutz der Nahversorgungszentren eingezogen sehen. Marc André Heistermann, Geschäftsführer beim Einzelhandelsverband Ruhr: „Wir sehen den dringenden Handlungsbedarf schon länger. Jetzt geht es darum, Schlimmeres zu verhindern.“ Wie das für Saarn funktionieren soll, ist dabei noch nicht klar. Man sei noch „in der Findungsphase“, so Heistermann.
Knackpunkt, auch an dieser Stelle: In der Peripherie der Düsseldorfer Straße hat die Stadt schon in der Vergangenheit Einzelhandel zugelassen, beziehungsweise zulassen müssen. Heistermann, auch IHK-Geschäftsführer Zakrezewski, sehen auch Fehler in früherer Stadtplanung. Da habe Mülheim die eine oder andere Ansiedlung auf grüner Wiese „billigend in Kauf genommen“. Die langfristigen Folgen damaliger Entscheidungen seien verheerend, siehe der Schaden, den die Innenstadt mit der Entwicklung am Heifeskamp in Dümpten genommen habe.