Ein falscher Zungenschlag ist schnell getan, Petra Gerber (Name von der Redaktion geändert) weiß das, deswegen äußert die Dümptenerin erst Respekt vor allen Feuerwehrleute, bevor sie zu den Fakten kommt, wie sie sie erinnert. Der Sturm, der am Freitagabend durch Mülheim brauste, hatte ihr Hausdach an der Möllhofstraße abgedeckt. Es regnete, es krachte, der Himmel war dunkel, die passende Kulisse für schlimme Befürchtungen. So wählte Petra Gerber den Notruf - und musste lange auf Hilfe warten, zu lange, wie sie findet. Über eine halbe Stunde, glaubt sie. „Hat Mülheim noch Vorrang?“, fragt sie.
Die Aufzeichnungen der Leitstellen von Polizei und Feuerwehr von diesem Abend ergeben in der Tat eine Lücke von 23 Minuten. „Um 18.31 Uhr ging der Notruf bei uns ein, um 18.54 Uhr waren wir vor Ort“, bestätigt der stellvertretende Feuerwehrchef Sven Werner, den der Sturm am Freitag aus seiner Freizeit zurück in die Leitstelle holte, wie so viele andere Berufs- und freiwillige Feuerwehrleute auch. 23 Minuten, in denen Petra Gerber, weil nichts passierte, die 110 anrief, also die Polizei. Irgendjemand sollte helfen. „Doch man sagte mir, ich hätte ja schon bei der Feuerwehr angerufen. Da käme bald jemand“, sagt Petra Gerber. Es war nicht das, was sie hören wollte.
Woher die Polizei von dem ersten Notruf wusste? „Feuerwehr und Polizei haben stadtübergreifend Standleitungen, um sich sekundenschnell über Notrufe verständigen und abstimmen zu können“, sagt Peter Elke von der Polizei Essen/Mülheim. Daher kannte die Polizei den Notruf aus Dümpten und sie kannte auch die Einsatzpläne der Feuerwehr, die Prioritäten folgen. Sind Personen verletzt oder gefährdet? Ist überhaupt Gefahr im Verzug? Wie groß ist der Schaden? Kann Schlimmeres noch verhütet werden? Elke kann verstehen, dass jeder Betroffene sofort Hilfe herbeiwünscht. „Aber manchmal können Einsatzkräfte nicht überall gleichzeitig sein.“
Der Freitag war so ein Tag, sagt auch Sven Werner. Im Sekunden- und Minutentakt prasselten die Meldungen ein, oft verschiedene Anrufer für denselben Vorfall. Meldungen müssen geordnet und kategorisiert werden, Verstärkung geordert und koordiniert, die Einsatzfolge geklärt werden. „Alles gleichzeitig“, sagt Werner, der weiß, dass die Feuerwehr technisch und personell fünf Einsätze zur selben Zeit fahren kann. „Danach müssen wir umorganisieren“, was bei flächendeckenden Lagen wie am Freitag heißen kann: improvisieren. Denn andere Wehren können nicht mehr helfen, die sind selbst in Dauereinsätzen. So muss entschieden werden, was Priorität hat, was stets die Gefahr der Fehleinschätzung birgt und Betroffenen kaum erklärt werden kann. Die haben subjektive Not; Werner versteht das gut. „Wir sind da in einer ständigen Gratwanderung“, sagt er und wünscht sich, dass auch Bürger verstehen, was Retter bewegt: „Wir wollen jedem helfen. Immer.“