Ist ein Japaner in Lederhosen, der vom Oktoberfest schwärmt oder sich die Narrenkappe aufzieht, überhaupt noch lustig? Dieser Takeshi aus „Alltag & Ekstase“ ist obendrein auch noch schwul und singt Volkslieder. Die Autorin Rebekka Kricheldorf und ihre Regisseurin gehen davon offenbar aus. Aber im Interview mit Theater heute (März) bekannte die Autorin auch: „Ich will nicht subtil sein.“ Der Zusammenstoß der Kulturen ist einer der zentralen Punkte ihres Stücks, das sie im Untertitel ein Sittengemälde und inoffiziell auch ihr Freiburger Stück nennt. Man merkt, es geht ihr um das Portrait eines ganz bestimmten Typs, den sie am Beispiel einer Familie illustriert.


DIE AUTORIN

Geboren wurde Krichelmann 1974 in eben jener Universitätsstadt im Breisgau, besuchte dort die Waldorfschule, studierte zunächst Romanstik und dann an der Hochschule der Künste Szenisches Schreiben. Diese Hochschule, an der auch der langjährige Moderator der Publikumsgespräche bei den Stücken, Gerhard Jörder als Dozent tätig ist, gilt als Kaderschmiede der deutschen Nachwuchsdramatik. Kricheldorf erhielt 2003 den Kleist-Förderpreis und war 2005 mit „Die Ballade vom Nadelbaumkiller“ zu den Stücken eingeladen.


DAS STÜCK

Es sind die reflektierten, politisch korrekten, ernährungsbewussten, friedensbewegten und in jeder Beziehungen total verständnisvollen und achtsamen Ökos, die auch allen illegalen und legalen bewusstseinserweiternden Substanzen nicht abgeneigt sind, die Kricheldorf im Visier hat. „Schweigen ist die Mutter der Neurose“, sagt Günther einmal zu seiner Ex Sigrun. Er hat ein Faible für fremde Kulturen und deren Riten. „Das Christentum ist nun mal eine mangelhaft durchdachte Religion, die einen völlig falschen, verklemmten Umgang mit dem Tod pflegt. Warum nicht von den besseren Konzepten profitieren? Bin ich der Gefangene der Irrtümer meines Volkes? Bin ich der Leibeigene der nationalen Schieflage?“ Mit Takeshi hat er angebandelt. Die Beziehung geht jedoch schlecht aus. Wer aber 24 Stunden verbissen an der Selbstoptimierung arbeitet, verpasst das Außersichsein, eben die Ekstase, die zum Leben gehört. Günther kennt keine Wut, Janne (der Sohn) kommt beruflich nicht weiter und dessen Frau Katja leidet am König-Drosselbart-Syndrom. Wer die Leere spürt, sucht am Himmalaya den Kick.


DIE STÄRKEN

Die Figurenzeichnung ähnelt stark einem Abziehbild, den Ton, mit dem sich diese Ökopaxe im Selbstoptimierungsprozess unterhalten, trifft Kricheldorf aber ganz gut, dieses Bedächtige und die nichtssagenden Floskeln.


DIE SCHWÄCHE
Die Handlung plätschert so vor sich hin, ohne richtig an Fahrt zu gewinnen oder sich zuzuspitzen, sieht man mal von der Szene ab, in der Janne durch Pilze gemeinsam mit Takeshi in einen Rausch gerät und dies später als Erweckungsszene deklariert und sich fortan als Erwachsenen sieht. Die Inszenierung versucht, die Handlung zu forcieren, indem sie River, die Tochter von Katja, die im Stück zwar immer wieder für Aufregung sorgt, aber eine Leerstelle bleibt, als permanenten Störenfried mitspielen lässt. Vielleicht würden einige Magic Mushrooms helfen, um zu lachen. Zu den familiären Auseinandersetzungen hieß es im Kulturradio rbb: „Das ist so angestrengt wie anstrengend“.


DER PROMIFAKTOR

Das Ensemble des Deutschen Theaters ist immer sehenswert. Ein Star ist Judith Hofmann nicht, um sich so zu gerieren, ist sie viel zu schüchtern und bescheiden, aber sie ist ein großartige Schauspielerin. Die Schweizerin, die in diesen Tagen 47 Jahre wird, war in München, Wien und Hamburg engagiert, tritt gelegentlich vor die Kamera und ist seit vier Jahren Trägerin des Tilla-Durieux-Schmucks für ihre herausragende Schauspielkunst. Regisseurin Daniela Löffner stammt wie die Autorin aus Freiburg und hat 2006 in Düsseldorf als Regieassistentin gearbeitet und auch dort inszeniert. Inzwischen ist sie Hausregisseurin in Braunschweig.


DER UNTERHALTUNGSFAKTOR

Es ist wohl eine Frage des Humors. „Theater heute“ etwa jubiliert. Eine „unterhaltsame, unerhebliche Pointen- und Klischeejonglage“ heißt es in der Berliner Zeitung.


DAS WETTBEWERBSBAROMETER

Prognose offen

DER TERMIN

Dienstag, 27. Mai, und Mittwoch, 28. Mai, jeweils 19.30 Uhr Stadthalle, Studio, Karten: 24 Euro, im NRZ-Ticketshop, Eppinghofer Str. 1-3.