Das Bahnticket zum reduzierten Preis wird von weniger Menschen genutzt als erwartet. Der Hauptgrund: Es gilt immer nur für eine Stadt. Wer in die Nachbarstadt will, muss ein Zusatzticket lösen.

„Für mich ist das eine Mogelpackung“. Klaus Peter Jesko hat ein Sozialticket. Das soll ihm ermöglichen, kostengünstig mit dem öffentlichen Nahverkehr zu fahren. Allerdings gilt es nur für das Mülheimer Stadtgebiet. Wenn Jesko etwa nach Duisburg fahren will, muss er ein Zusatzticket lösen. „Dann bin ich aber fast wieder bei dem gleichen Preis, den auch ein reguläres Ticket kosten würde.“ Das Sozialticket ist für monatlich 29,90 Euro zu haben, ein Zusatzticket für 3,10 Euro.

Jesko, der seit zehn Jahren arbeitslos ist, engagiert sich im „Styrumer Treff“. Von seinen anderen Mitstreitern bei dieser Initiative für Arbeitssuchende weiß er: „Für die meisten ist wegen dieser Beschränkung auf die Stadtgrenzen das Sozialticket nicht attraktiv. In der Stadt selbst kann man auch vieles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen. Und wenn man tatsächlich mal die Bahn benutzt, dann ist ein Vier-Fahrten-Ticket die günstigere Variante.“

Ein Trend, den auch Ulrich Schreyer vom Diakoniewerk Arbeit und Kultur bestätigt. Er hat bei den Besuchern der Mülheimer Tafel herumgehört, was dort vom Sozialticket gehalten wird: Auch hier wird die örtliche Beschränkung hervorgehoben. „Ich halte es auch für seltsam, dass man damit noch nicht mal nach Oberhausen oder Duisburg kommt.“ Einige fahren auch mit dem eigenen Auto, das sie auch brauchen, wenn sie einen Job haben wollen.

Dies spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Von den 1,4 Millionen Menschen, die theoretisch ein Sozialticket im Gebiet des Verkehrsverbundes Ruhr beantragen können, tun es nur um die sechs Prozent. Deshalb wird nun darüber diskutiert, ob das Ticket, das durch Landesgelder finanziert wird, überhaupt noch gebraucht wird.

„Ich hoffe, diese Debatte hört bald auf“, sagt Johannes Gliem, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion. Er kann sich noch gut an die Debatten 2011 erinnern,als das Ticket eingeführt wurde. Damals lautete die Prognose, dass von den 24 300 Berechtigten 3554 das Angebot nutzen würden. Aktuell, im Februar 2014, sind es tatsächlich 2099. „Ich kann auch verstehen, warum es weniger sind. Für einen Hartz IV-Empfänger gehen für das Ticket gut siebeneinhalb Prozent seines Gesamteinkommens drauf. Für den lohnt sich das nicht. Anders sieht es bei den ,Aufstockern’ aus. Sie nutzen das Ticket vor allem für die Fahrt zum Arbeitsplatz.“ Gliem ist davon überzeugt, dass gerade wegen dieser Gruppe das Ticket erhalten bleiben muss: „Wir müssen ja froh sein, dass diese Leute überhaupt arbeiten. Dadurch werden ja die Sozialkassen entlastet. Bei dem wenigen Geld, dass sie bekommen, ist die Motivation schon gering. Da darf das Ticket nicht auch noch streichen.“

Auch MVG-Sprecher Nils Hoffmann warnt davor. schon jetzt ein endgültiges Urteil über den Erfolg des Tickets zu fällen: „Es dauert eine Zeit, bis die entsprechende Kundengruppe das Angebot wahrnimmt. Das war bei dem ,Bärenticket’ für Senioren auch so.“

2099Mülheimer haben ein Sozialticket - etwa 24300 sind berechtigt. Im Januar hatten es 2760. Das zeigt: Ob das Angebot genutzt wird, hängt auch von den jeweiligen Jahreszeiten ab. Der milde Winter hat offenbar die Leute mobilisiert. Der Großteil der Tickets wird am Automaten verkauft: Von den 2099 Tickets waren es 1741, Abos gibt es nur 358.