Mendener Straße: Anwohner schimpfen über die Raser, beklagen einen Unfall und sammeln Unterschriften. Sie wünschen Geschwindigkeitskontrollen, die Polizei vor Ort.

Muhrenkamp: Rennstrecke, ständig zugeparkte Gehwege, hohes Verkehrsaufkommen – ein Rentner klagt über die Zustände und findet die Verkehrssituation trotz Tempo 30-Zone, Einbahnstraße und Halteverbot unerträglich. Vor allem für die Schüler der nahegelegenen Grundschule sei die Situation gefährlich.

Hingbergstraße: Ab 23 Uhr werden die Ampeln abgeschaltet. „Das ist die Stunde der Schumacher-Imitatoren”, sagen Anwohner und sind empört über die nächtlichen Raser.

Drei Beispiele. Ähnliche Klagen kommen aus vielen Stadtbezirken. „Die Leute überholen, wo sie nicht überholen dürfen, fahren bei Rot, telefonieren mit dem Handy beim Fahren und drängeln, wenn es nicht schnell genug geht.” Die Sitten im Verkehr verfallen, meint die Mülheimerin Bettina Leonhardt. Polizeidirektor Burkhard Kowitz, Chef der Verkehrsdirektion im Polizeipräsidium, bestätigt die Entwicklung: „Das die Verkehrsteilnehmer sich regelkonform verhalten, ist vielfach nicht mehr zu erkennen.” Kowitz beklagt einen zunehmenden Egoismus auf den Straßen und spricht damit Radfahrer ebenso an wie Autofahrer. Fast jeder zweite Radfahrer sei in der Dunkelheit ohne Licht unterwegs, auch das sei rücksichtslos und gefährlich.

Vermehrt registriert die Polizei ein Fahren bei Rotlicht. Statt nur mir Radar zu kontrollieren setzt sie verstärkt darauf, die Verstöße umgehend zu ahnden. Anhalten, aufklären, kassieren. „Ohne Sanktionen”, sagt Kowitz”, „ändert sich das Verhalten leider nicht.” Die Konsequenz, die Polizei will vermehrt durchgreifen – aber auch aufklären im Zuge gemeinsamen Schwerpunktaktionen mit dem städtischen Ordnungsamt.

Auch dort wird der Wandel registriert. Zum Beispiel beim Parken. Während der Autor den Text schreibt, betritt am Abend eine Anwohnerin der Gutenbergstraße die Redaktion und klagt über die unhaltbaren Zustände durch das Parken dort. Für Peter Rödel, Abteilungsleiter der Straßenverkehrsbehörde, ist das kein Wunder. Als er in den 90ern Job übernahm, gab es 180 000 Einwohner in Mülheim und 90 000 Fahrzeuge. Die Zahl der Einwohner ist um 10 000 gesunken, die der Autos um 30 000 gestiegen. Und irgendwo müssen die bleiben.

Dass das oft zu Behinderungen und Beschwerden führt, ist im Ordnungsamt und in der Bürgeragentur zu spüren. Dort landen vermehrte Klagen und Bitten: Kommt zum Kontrollieren raus! Kam der Wunsch bislang vor allem aus der Innenstadt, ertönt der Ruf nun auch in den Stadtteilen.

Die Aggressivität im Straßenverkehr habe zugenommen, bedauert auch Rödel und wundert sich darüber nicht in Zeiten, in denen der Nachbarschaftsstreit zu „täglichen Brot” des Amtes gehört. Rödel: „Früher wurde der Nachbar gebeten, für die Kehrmaschine den Wagen mal kurz wegzusetzen, heute landet die Sache im Amt.” Und gefordert werden Speerpfosten, Halteverbote, Sperrflächen.