Es ist 10.12 Uhr, als auf den Rechnern der Mülheimer Awo-Beschäftigten gestern eine E-Mail ihres Geschäftsführers erscheint. Mit „lieben Grüßen“ an die „lieben Mitarbeiter“ erläutert Lothar Fink, dass der Rechtsstreit mit der fristlos gefeuerten Co-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling „leider noch nicht beendet“ sei. Weniger der Inhalt, als die Nachricht selbst löste Erstaunen aus in dem 270 Köpfe starken Verband. Interne Informationen zu der Kündigung, die nun seit einem Jahr gärt, waren bislang eher dürftig. Selbst Aufsichtsräte, die bei der Awo Vorstand heißen, haben den gestrigen Gerichtstermin, 9 Uhr, Zimmer L150, aus der Presse erfahren. Deswegen, gleichsam als Service, der nächste Termin schon mal vorweg: 23. Mai 2014. Zwei Tage vor der Kommunalwahl, 9 Uhr, wie gehabt, Zimmer L150.
Was dort zu hören sein wird, zeichnete sich gestern deutlich ab: Das Gericht wird Adelheid Zwilling in ihrer Kündigungsschutzklage Recht geben. Der Rauswurf, hatte der Richter zu Beginn ausgeführt, genüge schon formal nicht den Anforderungen. Er habe daher kein Interesse, „schmutzige Wäsche zu waschen“, also die Vorwürfe einzeln durchzugehen, mit denen die Arbeiterwohlfahrt vor einem Monat schriftlich die Trennung begründete.
Deswegen seien sie auch an dieser Stelle nicht mehr erwähnt.
Zumal der Anwalt der Awo ebenfalls erklärte, die Vorhaltungen - die Zwilling zu der Äußerung veranlassten, sie werde um ihren Ruf kämpfen - diese Vorhaltungen also seien für ihn „nicht mehr erheblich“. Das Grundvertrauen sei zerstört, das genüge. Gründe führte der Jurist so wenig an wie die Vorstandsvorsitzende der Awo, Helga Künzel, die neben ihm saß.
Hinweise darauf, was da so nachhaltig gewirkt haben mag, lieferten aber zwei Anmerkungen; die erste des Richters, der unwidersprochen zu Protokoll gab, die Awo werfe Zwilling vor, „ein FDP-Ratsmitglied in den Kreisverband eingeführt“ zu haben (gemeint ist FDP-Ratsherr Peter Beitz, der in seinem Hauptberuf als Unternehmensberater für die Awo tätig war und ist, Anmerkung d. Redaktion). Und die offenherzig vorgetragene Einschätzung des Awo-Anwalts, bei der Kündigung handele es sich um einen „politisch sensiblen“ Fall.
Natürlich gab es noch juristische Feinheiten zu bestaunen, die bei dem sonor vortragenden Anwalt der Awo, bei der es sich immerhin um einen Wohlfahrtsverband handelt, sogar den Schluss zuließen, man könne nahezu jeden und jederzeit ohne Angabe von Gründen und vorherige Abmahnung feuern. Auch wenn die Awo, wie Fink später an die Mitarbeiter schrieb, keine Scheu habe, den Rechtsstreit weiter auszufechten, so ist das alles, um das Zitat aufzugreifen, nicht mehr erheblich. Das eigentliche Ziel einer Kündigungsschutzklage, der Weg zurück in die Awo, zurück in eine „vergiftete Atmosphäre“, wie es der Richter nannte, ist nicht mehr vorstellbar. Beide Seiten wollen den Vergleich. Die fristlose würde in eine fristgerechte Kündigung verwandelt, Zwilling erhielte das ausstehende Gehalt bis dahin und eine Abfindung. Der Richter schlug den 30. 9. 2013 und 20000 Euro vor, die Awo griff dankbar zu, hatte sie doch schon mal mehr avisiert. Zwilling aber besteht wenigstens auf der Hälfte ihrer ursprünglichen Forderung, das wären dann 35000 Euro.
Darüber wird nun zu urteilen sein. So lange stehen weiter Fragen im Raum, etwa, ob es wirklich keinen anderen Weg gab, die politisch sensible Angelegenheit zu klären.
Das leider in Finks Mail dürfte das ehrliche Befinden gespiegelt haben.