Marvin Jasarevic (20) wurde in Mülheim geboren. Seine Eltern sind Roma und stammen aus Serbien. Als Marvin neun Jahre alt war, wurde seine Familie aus Deutschland abgeschoben – „zurück in seine Heimat“, wie man dem Jungen sagte. „Aber ich sprach weder Roma noch Serbisch. Hier war ich der schlechte Roma, da der schlechte Serbe – und für einige der schlechte Deutsche.“

Brandanschlag traf Haus der Familie

Auf der Straße lernte Marvin Trompete spielen, er tourte durch Amerika, Frankreich und Kanada. In Serbien traf ein Brandanschlag das Haus seiner Familie, seine Eltern wurden psychisch krank.

Gemeinsam floh man daraufhin erneut nach Deutschland. „Hier versuche ich mich auf die Schule zu konzentrieren“, sagt Marvin, „aber wir leben auf Zeit. Vom Leben wünsche ich mir, einen festen Stand zu haben. Mein Leben ist eine Reise mit einem Schiff: ständig schwanke ich, ich treibe umher. Ich versuche anzukommen – für ein paar Monate, Jahre, vielleicht länger – um ein Leben aufzubauen. Aber ohne Land, in dem du akzeptiert wirst, kannst du keine Zukunft planen, du lebst nur in deiner erinnerten Vergangenheit.“

Der 20-Jährige berichtet offen: „Es ist schwierig für mich, für meine Familie zu sorgen, während ich selbst nicht mehr weiß, ob ich es überhaupt wert bin, hier zu leben. Wenn ich traurig bin, spiele ich Trompete. Meine Probleme verwandele ich in Töne, wenn mir keine Sprache hilft. Ich brauche kein bestimmtes Lied, ich spiele einfach. Was aber hinter allem Spiel steckt, ist die Frage, was für ein Mensch ich bin – nicht, aus welchem Land ich komme. Ich war noch nie nur Roma, Serbe oder Deutscher und kann doch nicht alles zusammen sein.

Wenn ich Theater spiele, bin ich tausend Menschen auf einmal. Theater ist für mich Befreiung. Auch wenn die Bühne nur klein ist, existieren für mich dort andere Welten. Selbst wenn ich improvisiere, ist alles ein Teil meiner Erinnerung. Nur ist die Frage nicht, wie schmerzvoll meine Erinnerungen sind, sondern wie ich daraus auf der Bühne ,Gespräche’ entwickeln kann. Diese Gespräche führe ich zuerst in mir, dann auch über mein Spiel mit dem Zuschauer.

Dabei ist Sprache nicht mehr entscheidend. Wenn der Zuschauer mir genau zuschaut, dann versteht auch er auf seine Weise, worum es mir geht – langsam, fragmentarisch, wie in einem Traum. Deswegen verdränge ich im Theater meine Erinnerungen nicht, sondern ich spiele mit ihnen.“