Mülheim.

Acht Jahrhunderte vergingen; Gesellschaft, Technik, Alltag veränderten sich – doch der Geist des Klosters hatte Bestand.

Davon ist Hans-Theo Horn überzeugt. Er, der sich wie nur wenige andere mit dem Saarner Kloster beschäftigt hat, findet stets Hinweise auf den „klösterlichen Spirit“, der mit der Gründung des Zisterzienserinnenklosters im Jahr 1214 einzog: Die gelebte Gemeinschaft in der katholischen Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt zählt er etwa auf und die drei Oblaten des Heiligen Franz von Sales, die die von den Nonnen begründete Tradition fortsetzten. Beides war nicht immer zu erwarten: Nachdem die Zisterzienserinnen Saarn verließen, das Kloster 1808 aufgehoben wurde, verdrängte die Realität lange die Spiritualität.

Die königliche Gewehrfabrik

800 Jahre Kloster-Geschichte lassen sich auf 80 Zeilen kaum umfassend zusammenfassen. Deshalb nur so viel zu den ersten sechs Jahrhunderten: Die Zisterzienserinnen lebten zurückgezogen, überregional traten sie kaum in Erscheinung. Intern war dafür das ein oder andere los: 1476 stand die erste Reform des Klosters an, 1619 die zweite. Dazwischen schlug die Reformation zu: 1570 verließen fünf evangelisch gesinnte Nonnen nach Auseinandersetzungen über das Abendmahl das Kloster. Bevor Napoleon letztlich das Kloster auflöste, wurden in den 1750er Jahren noch ausgedehnte Wirtschaftsgebäude errichtet und die Klosterkirche innen neu gestaltet. Es ist dieser barocke Baustil, der das Ensemble bis heute prägt.

Dass überhaupt noch historische Gebäude erhalten sind, ist nicht selbstverständlich. Denn in den 1970er Jahren, berichtet Hans-Theo Horn, „gab es Überlegungen, diese Gebäude umzulegen“. So schlecht war ihr Zustand. Fotos belegen es: Der Kreuzgang, der nun gepflegt mit Bank und Brunnen daherkommt, war marode. Schutt und Unrat türmte sich dort auf. Das Kloster war nach 750 Jahren in die Jahre gekommen, was wohl auch an den wechselnden, überaus weltlichen Bewohnern nach 1808 lag. 1815 wurde dort die königliche Gewehrfabrik untergebracht, ihr folgte 1874 eine Tapetenfabrik, bevor das Kloster zum Bauernhof und 1930 schließlich zum Mietshaus wurde.

Abriss oder Sanierung? Die Antwort lieferte der Zeitgeist

1938 wurden Wirtschaftsflügel abgerissen, um für die B1 Platz zu machen. Das, was übrig blieb, war laut Hans-Theo Horn „in einem bemitleidenswerten Zustand. Die vielen Umnutzungen haben der Gebäudesubstanz nicht gedient.“ Abriss oder grundlegende Sanierung war in den 1970ern dann die Frage. Die Antwort lieferte der Zeitgeist. „Es war ein Glücksfall, dass das Ruhrgebiet als Kulturort entdeckt wurde“, sagt Horn, später Mülheims Kulturdezernent, damals aber noch im Bauverwaltungsamt tätig, der selbst stets zur Saarner Gemeinde gehörte. So leitete er für Stadt und Kirche die Restaurierung und ist noch immer von der problemlosen Zusammenarbeit von Stadt, Land und Bistum begeistert. Heute sei diese Kooperation, „abseits von Eigentumsgrenzen“ kaum mehr vorstellbar. Immer noch bekannt ist hingegen die Erhöhung kalkulierter Baukosten: Aus ursprünglich geplanten rund 6 Millionen wurden letztlich über 20 Millionen Mark.

Zehn Jahre – von 1979 bis 1989 – dauerten die Arbeiten. Vorher hatten dreieinhalb Jahre Archäologen das Sagen. „Bei umfassenden Grabungen“, sagt Hans-Theo Horn, „wurden 70 Prozent des Geländes untersucht.“ Die unzähligen Fundstücke – Scherben, Glasreste, Lederstücke, Rosenkränze aus Schafsknochen, Gebeine vom Nonnenfriedhof und und und – sind alle mit ihrem Fundort in dicken Büchern aufgelistet und teils eingelagert, teils im Klostermuseum ausgestellt. Der Verein der Freunde und Förderer des Klosters Saarn, der 1983 gegründet wurde und dessen zweiter Vorsitzender Horn ist, hat die Aufgabe übernommen für deren Dokumentation, Aufbewahrung und Restaurierung zu sorgen. Und blickt man aus heutiger Sicht auf diese bewegte Geschichte zurück, passt auch Horns Lebensmotto perfekt: „Nicht das Beginnen, sondern das Durchhalten wird belohnt.“