In Mülheim haben offenbar immer weniger Menschen problematische Krankheitsverläufe durch Keime, die gegen handelsübliche Medikamente gefeit sind. Wie der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Georg Ohde, auf Anfrage bestätigte, hat es in diesem Jahr noch gar keinen Todesfall gegeben, bei dem die gefährlichen Erreger eine Rolle spielten. Im ganzen vorigen Jahr hatten die Amtsärzte bei nur einem von über 2000 Verstorbenen Keimbelastung festgestellt, ebenso im Jahr 2012. Ohde interpretiert die Datenlage vorsichtig optimistisch: „Man kann von einem Trend sprechen“, sagte er.
So genannte multiresistente Erreger sind in der Medizin zum Problem geworden, seit der weltweit übermäßige Gebrauch von Antibiotika Bakterien zu Mutationen veranlasst. Vereinfacht gesagt, entwickeln sich solche Kleinstlebewesen, die eine Behandlung mit der Arznei überstehen, zum Erfolgsmuster ihrer Art. Diese Ableger sind nicht aggressiver als die Milliarden anderer Bakterien, die im menschlichen Körper siedeln, meist auf oder unter der Haut: Sie lassen sich im Krankheitsfall nur schlecht bis gar nicht abtöten. Zur Bedrohung gerät das für Patienten, deren Immunsystem ohnehin geschwächt ist, für alte Menschen, Diabetiker und per se für alle Menschen mit offenen Wunden - wie sie im Krankenhaus nach Eingriffen üblich und natürlich sind. In der Blutbahn verbreiten sich die Keime ungehindert und überall hin.
Zahl der Erkrankungen rückläufig
So waren es auch die beiden Mülheimer Krankenhäuser, die vor vier Jahren begannen, den Keimen den Kampf anzusagen. In beiden Kliniken (das Evangelische Krankenhaus kommt im Jahr auf 69000 Eingriffe, von der OP bis zur Blutentnahme, das St. Marien-Hospital auf 29000) gibt es jetzt ein zertifiziertes Managementsystem und einen Vorabtest aller Risikopatienten. Das Evangelische Krankenhaus erhielt dafür zuletzt den Gesundheitspreis des Landes NRW. Die Zahl festgestellter Erkrankungen hatte sich vom Prozent in den Promille-Bereich verschoben. Ohde sieht in den jetzt feststellbaren Resultaten daher „auch ein Ergebnis dieser Bemühungen“.
Die waren auch nötig. Vor wenigen Jahren noch registrierte Ohdes Mannschaft in der Spitze 17 Tote in einem Jahr mit mutierten Keimen. Von 2009 bis 2011 waren es neun Verstorbene. Die vergleichsweise hohe Zahl lag auch am Mülheimer Meldesystem: Das Gesundheitsamt kontrolliert alle Totenscheine auf die Frage, ob die Erreger in Blut oder Hirnflüssigkeit nachzuweisen sind. Die statistischen Methoden aber sind von Bundesland zu Bundesland und von Stadt zu Stadt verschieden.
Klar ist für Ohde aber auch, dass weder das Kataster noch die Bemühungen der Krankenhäuser alleine ausreichen, um den Grad des Problems einzuschätzen. Die Abstriche etwa, die Krankenhäuser Risikopatienten für Keimbefall abnehmen, sind nicht meldepflichtig. Wo sich jemand ansteckt, ist damit nur schwer auszumachen. Für die Prävention bedeutet das: „Wir müssen ein Netz knüpfen“, sagt Ohde. Niedergelassene Ärzte gehören mit in einen solchen Verbund. Die meisten der 16 vollstationären Pflegeheime arbeiten an einem standardisierten Vorgehen samt Zertifizierung. Nach Studien tragen bis zu drei Prozent der Heimbewohner den Keim in sich.
Zur Erkrankung führt das nicht zwangsläufig. Mehr noch: Der Befall mit den tückischen Keimen auf der Haut ist sogar leicht zu sanieren. Eine Spezialsalbe reicht dafür aus. Doch: Schon die Kosten für den Abstrich zahlen die Krankenkassen nicht. Die Begründung: Es handele sich ja schließlich - noch - nicht um eine Erkrankung. Allein das Evangelischen Krankenhaus bleibt dadurch pro Jahr auf etwa 200000 Euro sitzen.