Mülheim. . Auszubildende aus Mülheim, Oberhausen und Essen träten neuerdings zahlreich bei den DGB-Nachwuchsverbänden ein, sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund. Ein Besuch bei drei Jugendsekretären, um die Gründe für den Mitgliederzuwachs zu erfahren.
Die Gewerkschaften in Mülheim, Oberhausen und Essen frohlocken. Sie seien wieder angesagt bei jungen Arbeitnehmern, die jetzt verstärkt beiträten. Die Gründe für diese Entwicklung verraten die hiesigen Jugendsekretäre Kim Marquardt (22, Verdi), Ismail Cebe (26, DGB) und Chris Günther (27, IG Metall).
„Der Hauptgrund ist prekäre Beschäftigung in den Betrieben“, sagt Marquardt. „Immer mehr jungen Beschäftigten wird ihre Situation bewusst. Sie werden nach der Ausbildung nicht mehr übernommen und ihre Zukunftsperspektiven sehen immer schlechter aus.“ So seien Zeitverträge und die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf derzeit ein riesiges Problem. Zudem verkomme Ausbildung zunehmend zur Ausbeutung, besonders bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Modern aufgestellt
Doch der hiesige DGB und seine Einzelgewerkschaften hätten auch viele Neumitglieder, die nicht aus Problembetrieben kommen, ergänzt Cebe. „Sie wollen sich bei uns ehrenamtlich und politisch engagieren.“ Das liege vor allem daran, dass sich die Gewerkschaften in der Region deutlich modernisiert hätten. „Wir stellen uns anders auf als früher, es hat eine deutliche Verjüngung in den Strukturen gegeben“ , sagt Günther. Wo zuvor grauhaarige Männer der Jugend durch Megafone sagten, was ihre Probleme seien, setzten sich jetzt „Jugendliche für Jugendliche“ ein.
Jugend lasse auch die IG Metall NRW wachsen
Den „starken Zuwachs“ an jungen Mitgliedern in Mülheim, Oberhausen und Essen kann der DGB zwar nicht belegen (Zahlen werden erst im kommenden Quartal erwartet), doch sie sollen, heißt es, deutlich über den 6897 Mitgliedern liegen, die im Vorjahr für 2012 festgestellt wurden.
Dieser Trend zeige sich auch landesweit, teilt Marc Otten, Jugendsekretär der IG Metall NRW, der Redaktion mit. „Die IG Metall wächst, weil wir zeitgemäßer geworden sind. Wir gehen neue Wege und zeigen ein neues Gesicht. Wir sind eine Mitmachgewerkschaft geworden und fragen unsere jungen Mitglieder gezielt, was ihre Probleme sind und was sie von uns erwarten.“
So sei zurzeit nicht nur in Mülheim und Umgebung, sondern in ganz Deutschland die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Thema. Zudem habe rund die Hälfte aller 30-jährigen Arbeitnehmer schon in einem Langzeitpraktikum, in Leiharbeit oder in prekärer Beschäftigung gearbeitet. Dies mache die Gewerkschaften für junge Menschenattraktiv und notwendig. Die IG Metall sei durch ihre Größe außerdem ein „gesellschaftlicher Player“, der auch große Probleme erfolgreich anpackt.
Zwar verbinde alle Junggewerkschafter das gemeinsame Ziel, für faire Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen. Aber es gebe neuerdings einen Vereinscharakter, durch den auch überregional viele Freundschaften entstehen. „Wir gehen zusammen bowlen, spielen Fußball oder grillen. Wir verbinden Gewerkschaft mit Spaß, weil es ja Freizeit ist“, sagt Marquardt.
Den Schwachen zu helfen und die Welt zu verbessern, das haben sich die drei Jugendsekretäre auf die Fahne geschrieben. Es bleibt jedoch nicht bei Idealismus, sie können auch Erfolge feiern. Dann etwa, wenn sie einen Tarifvertrag erstreiten, der unbefristete Übernahmen regelt. Oder wenn sie gegen Neonazis demonstrieren. Zu ihrer Arbeit gehören aber auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, Menschenrechte und ein gerechtes Steuersystem. Dort haben sie noch etliche Kämpfe auszufechten.
Verbündete sind die Parteien dabei jedoch nicht. „Wir wollen der Politik ja sagen, wo die Reise in unserer Gesellschaft hingeht“, sagt Chris Günther. Dazu sei Distanz zu den Parteien unbedingt nötig.