Als kompakte Theater-Tour geht das nächste Stadtspiel über Mülheim hinaus. Die Kooperation zwischen Ringlokschuppen und Theater Oberhausen hat sich bewährt

Nachdem einst 53 Städte aus Arbeit, Dreck und Schweiß zum „Revier“ wuchsen, später die glänzende Zukunft verblasste und danach die Hoffnung in der Kreativität keimte, ruft der Ringlokschuppen nun die 54. Stadt aus: Die alte „Ruhrstadt“-Diskussion lässt grüßen: „Wir gehen dahin, wo alle Versprechen wahr wurden. 2044. Das Ende der Zukunft“, verheißt das poetische Textende, das reichlich Raum für Interpretationen lässt. „Unsere Gegenwart ist zu sehr auf Zukunftsvisionen ausgerichtet und nicht auf das Hier und das Jetzt und das Mögliche“, sagt Holger Bergmann, Künstlerischer Leiter zum Konzept.

Und so ist die „54. Stadt“ eine Reise als konsequente Fortsetzung der Stadtspiele, den Stadtraum spielerisch erfahrbar zu machen. Wenn auch diesmal etwas kleiner als kompakte Theater-Tour und komprimiert auf das Wochenende vom 12. bis 14. September, bewegt sich die Aktion erstmals über Mülheim hinaus bis nach Oberhausen. Als „Reiseleiter“ gehen die bewährten Theaterkollektive Copy & Waste, Kainkollektiv, Invisible Play-ground und Ligna mit ihren Produktionen voran. Die Performance beginnt mit einer raumgreifenden Installation im Ringlokschuppen, wo Kainkollektiv die Reste von Gemeinschaft inklusive Gesangs- und Sprechchöre zelebriert. Danach geht’s wahlweise mit Ligna und Invisible Playground und interaktiven Spielen in die Innenstädte von Mülheim und Oberhausen. Das fünfstündige Happening inkl. Snack und Transport endet mit einem finalen Kampf um die Donnerkugel im Theater Oberhausen: Für pralle Theaterabende ist Copy & Waste bekannt.

Lustvoll ist auch die seit Jahren andauernde Zusammenarbeit zwischen Ringlokschuppen und Theater Oberhausen. So markierte „Barbarella-Park“ von Copy & Waste (wir berichteten) kürzlich die achte Koproduktion mit Oberhausen. Aus ökonomischer Sicht seien solche Kooperationen reizvoll, weil man mehr machen könne für mehr Zuschauer, erläutert Bergmann: „Die Sachen werden größer gesehen.“ Bei gleichen Kosten, „aber man kann damit mehr Aufmerksamkeit schaffen“. Künstlerisch gesehen, habe es den Vorteil, „freien Gruppen den Zugang zu Stadttheatern zu verschaffen“. So lief „Barbarella-Park“ nach Mülheim auf der Großen Bühne im Theater Oberhausen. Andererseits hätten die Ensembles der Stadttheater die Möglichkeit, sich für neue Gedanken, Ideen und eine neue Ästhetik zu öffnen. Und so sei die „Reise in die Zukunft“ mit den vier Kollektiv-Gruppen auch ein Höhepunkt in der Zusammenarbeit mit Oberhausen, betont Bergmann: „Ein großes Unterfangen, was keiner von uns beiden hätte allein machen können.“

Zweittext

In der nächsten Zeit stehen wieder spannende und reizvolle Gastspiele im Ringlokschuppen auf dem Programm, die den Blick für neue Theater-Sichtweisen schärfen. Wie die Produktion „Sei nicht Du selbst“ von Boris Nikitin, die am Samstag, 15. März, zu sehen ist. Damit war er 2013 zum Schweizer Theatertreffen eingeladen.

Der Baseler Theatermacher, der bei René Pollesch und Rimini Protokoll assistierte, studierte in Gießen und arbeitet seitdem an zahlreichen Bühnen. 2009 wurde er beim Theater-Festival „Impulse“ ausgezeichnet und kehrt nun zum vierten Mal in den Ringlokschuppen zurück. Mit einer eigenen Produktion für die Ruhrtriennale 2014 ist Boris Nikitin im Gespräch.

Neben dem Ringlokschuppen wurde die Dezentrale in dem ehemaligen Schlecker-Laden an der Leineweberstraße ein künstlerischer Ort, wo sich die Mülheimer ausprobieren können. „Es geht dabei um die Idee, Menschen zu kreativen Handlungen anzuregen und dafür Räume zur Verfügung zu stellen“, sagt Holger Bergmann: „Und das funktioniert auch sehr gut.“

Wenn der Ringlokschuppen mit seinen Stadtspielen in die Innenstadt hineinwirkt, so werden in der Dezentrale Bewohner und Kunstaktionen zusammengebracht – frei nach dem Motto und der großen Frage: Was hält unsere Stadtgesellschaft noch zusammen?