Mit Zahlen muss man vorsichtig sein. Liest man die jüngsten Aussagen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und die Angaben der IHK, so hätte man, ohne die Mülheimer Innenstadt zu kennen, ein vorteilhaftes Bild der Handelsstadt. Aber Vorsicht ist geboten. Das Sein unterscheidet sich von dem Schein. Mit einer Kaufkraft, die direkt für den Konsum zu Verfügung steht, von knapp einer Milliarde Euro pro Jahr steht die Stadt, auch wenn der Wert minimal rückläufig ist, immer noch gut dar. Aber das Einkommen ist zwischen Uhlenhorst und Eppinghofen in der Stadt sehr ungleich verteilt. Einige Millionäre verzerren das Bild. Pro Kopf hat die GfK eine Kaufkraft von 23285 Euro ermittelt. Im bundesweiten Vergleich macht das Platz 57 (siehe Grafik). Es ist eine Spitzenwert für das Ruhrgebiet. Der Indexwert liegt mit 109,9 über dem Durchschnitt (= 100). Die Frage ist nur, wo wird das Geld ausgegeben? Offenbar nicht in der Innenstadt. Hier ist, wie man aus den Untersuchungen der Sozialräumen weiß, die Kaufkraft unterdurchschnittlich.

Wo das Geld ausgegeben wird, darüber gibt eine andere Maßeinheit Aufschluss: die Zentralität. Wer über 100 liegt gewinnt Kunden aus den Nachbarstädten, wer darunter liegt, verliert. Die IHK nennt einen Wert von 119,5, der liegt sogar über dem Wert von Essen mit 118,8. Oberhausen dank Centro hat einen Spitzenwert von 144,8. Das bedeutet, dass der tatsächliche Umsatz deutlich über dem Kaufkraftpotenzial liegt und somit mehr Kunden aus den Nachbarstädten gewonnen werden als dorthin abwandern. Schon der Mülheimer wäre ein Top-Wert. Die Stadt operiert mit einem deutlich geringeren und wohl realistischeren Wert. Er liegt bei 109 und wurde von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung ermittelt. Wie der ermittelt wird, das ist bei beiden ein Geheimnis.

Diese Umsatzstärke liegt vor allem am Rhein-Ruhr-Zentrum, das gut zwei Drittel seiner Kunden aus Essen bezieht und nur ein Drittel aus Mülheim. Ein zweiter, deutlich schwächerer Magnet ist das Fachmarktzentrum am Heifeskamp. Das bedeutet ein Fünftel bis ein Viertel der knapp 1,1 Milliarden Euro Umsatz wickelt das Rhein-Ruhr-Zentrum ab. Im Einzelhandelsgutachten hat man die Zentralität um diesen Wert bereinigt. Er lag bei 85. „Das würde auf eine Unterversorgung hindeuten. Die gibt es aber nicht“, sagt Wirtschaftsförderer Tim Schiebold. Er weist auf die über 30 Discounter hin, die die Stadt wie ein dichtes Netz überspannen. Aber gute Geschäfte fehlen durchaus.

Und dann gibt es noch den dynamisch wachsenden Internet-Handel. Für 2014 wird bundesweit eine Steigerung von 17 Prozent prognostiziert, während der stationäre Handel stagniert, wie Einzelhandelsgeschäftsführer Marc Heistermann erklärt. „Wenn tatsächlich jeder Euro, der hier verdient werde auch ausgegeben werde, hätte die Stadt keine Probleme“, sagt er und weiß, dass das eine Illusion ist. Bei diesen Marktverschiebungen brauche man ganz neue Konzepte von Handel und auch neue Vorstellungen, was Städte bieten sollen - vor allem wenn die Kundenfrequenz wie auf der Schloßstraße bei 1000 Personen pro Stunde liegt.