Mülheim. . Mit dem Mülheimer Figurentheater Wodo Puppenspiel betreiben Wolfgang Kaup-Wellfonder und Dorothee Wellfonder eine der wenigen Bühnen in Deutschland, die von ihrer Kunst leben können.
Vor etwas mehr als 30 Jahren haben Wolfgang Kaup-Wellfonder und Dorothee Wellfonder (beide 54) nach den jeweils ersten Buchstaben ihres Vornamens das Wodo-Puppenspiel gegründet. Vom Start weg war die Mülheimer Bühne unter geschätzt 250 Figurentheatern in Deutschland eine der wenigen, die von ihren Auftritten existieren konnte. Mit der WAZ plauderten die beiden zum runden Geburtstag ihres Theaters (wird im Sommer gefeiert) über die ungebrochene Faszination dieser Schauspielkunst auf Darsteller und Publikum gleichermaßen, warum bei ihnen im Keller ein Brief von Astrid Lindgren hängt – und dass es mit Wodo noch lange weiter gehen kann. “Wir machen’s einfach immer noch schweinegerne”, lacht Wolfgang Kaup-Wellfonder.
Wie kommt man auf die Idee: Ein Puppentheater gründen?
Dorothee Wellfonder: Eigentlich haben wir Sozialpädagogik studiert, Schwerpunkt Kinder- und Jugendarbeit. Im Anerkennungsjahr haben wir Puppenbühnen beobachtet und wie Kinder darauf reagieren. Und weil die Stellensituation für Sozialpädagogen damals nicht luxuriös war, haben wir angefangen. Erst mit einem Spaßprogramm für Kindergeburtstage, dann auf Straßen- und Kindergartenfesten.
Ganz schön mutig, sein Leben auf so ein Geschäftsmodell zu gründen . . .
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Mit Mitte zwanzig überlegt man kein Geschäftsmodell. Wir wollten etwas machen, was uns ausfüllt und Spaß macht. Und wir hatten das Glück, dass es uns ernährt. Aber das war nicht überlegt. Es hat sich so ergeben. Und wir haben ja auch ganz klein angefangen. Unsere Ansprüche waren die von Studenten. Über den Bushido-Sportverein haben wir einen alten Baustellenwagen von KWU -- heute Siemens -- bekommen: VW-Bulli mit Doppelkabine und Pritsche. Der war völlig verbeult, aber technisch OK. Unser erstes Fahrzeug.
Die Rechte für Pippi Langsrumpf zu bekommen, war gar nicht einfach
Und damit sind Sie durch’s Land gefahren?
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Ja, bis er in der Eifel auseinander brach. Unterwegs waren wir anfangs mit eigenen Stücken. 1985 hatte meine Frau dann eine gute Idee . . .
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Dorothee Wellfonder: . . . ich hab gesagt, lass uns doch mal Pippi Langstrumpf machen. Aber es war gar nicht einfach, die Rechte zu bekommen.
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Ich hab’ den damaligen Verlagsleiter eine Stunde bequatscht, warum wir das machen wollen. Und später haben wir dann von Astrid Lindgren einen Brief bekommen, in dem sie uns bestätigt, dass wir das erste Puppentheater sind, das Pippi Langstrumpf spielt. Der Brief hängt noch im Keller an der Wand.
Das Stück war ein Erfolg?
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Ja, das war sehr erfreulich, auch ökonomisch. Veranstalter und Publikum haben uns die Bude eingerannt. In den ersten beiden Jahren haben wir jeweils 350 Vorstellungen gegeben. 40 in zehn Tagen – das kam nicht selten vor.
So intensiv mit dieser großartigen Figur leben – färbt das nicht ein bisschen ab?
Dorothee Wellfonder (lachend): Nö. Ich bin leider nicht so stark geworden. Aber das Stück war trotzdem der Knaller.
Wir wollten nicht nur für die Stücke bekannt sein, sondern auch als Theater
Sie sind eine der wenigen Puppenbühnen, die auch eine eigene Spielstätte haben. Warum?
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Die Tournee hat uns ernährt. Aber wir wollten nie nur bekannt sein für Pippi Langstrumpf und die anderen Klassiker in unserem Repertoire. Wir wollten auch bekannt sein als Theater. Und Zuschauer haben auch oft gesagt, schade, dass man euch nicht besuchen kann. 1989 haben wir an der Cäcilienstraße in einem Bürohaus die erste Spielstätte eröffnet, unser Ateliertheater. Da passten gequetscht 70 Leute rein. Das war eigentlich immer ausverkauft. Danach haben wir ein paar Jahre den Kammermusiksaal in der Stadthalle genutzt. Und seit zehn Jahren sind wir im Ringlokschuppen. Wir geben im Jahr 180 Vorstellungen, 50 davon in Mülheim, spielen hier fast jedes Wochenende.
Was fasziniert sie selbst seit 30 Jahren am Puppenspiel?
Dorothee Wellfonder: Die Wirkung der animierten Figuren aufs Publikum. Eine kleine Bewegung reicht und schon gehen die Leute mit den Figuren durch Dick und Dünn. Der Beruf ist auch sehr vielseitig. Wir sind unterwegs, schreiben Stücke, bauen selbst Kulissen und Puppen.
Figurentheater ist doch eigentlich antiquiert. Warum funktioniert diese Kunst heute noch so gut?
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Gerade, weil sie so reduziert ist. Der Raum bleibt überschaubar – und ist trotzdem eine ganze Welt. Da gibt es keine hektische Bildvielfalt wie im Fernsehen. Aber das heißt nicht, dass die Dramaturgie langweilig ist.
Wie suchen Sie ihre Stücke aus?
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Wir inszenieren, was wir als Kinder gut fanden, zum Beispiel Kästners Pünktchen und Anton. Dann, was unseren Kindern gefallen hat, etwa Karlsson vom Dach oder Briefe von Felix. Und wir haben unser Publikum gefragt, was sie sehen möchten. Auf Conni oder Lauras Stern wären wir sonst nie gekommen. Aber das ist das schöne an der eigenen Spielstätte: Wir kommen ins Gespräch mit unseren Zuschauern. Wichtig ist für mich, dass ich einen Zugang zu den Stücken finde. Biene Maja zum Beispiel mochte ich nie. Bis ich mich mit den ursprünglichen Büchern von Waldemar Bonsel beschäftigt und erkannt habe, Maja ist im Grunde revolutionär. Damit hatte ich einen Zugang.
Wir sind Dienstleister in der Freizeitwirtschaft und trotzdem Künstler
Wie viel Kunst und wie viel Kommerz steckt in ihrer Arbeit?
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Wir sind als Bühnenkünstler natürlich Dienstleister in der Freizeitwirtschaft. Und wir sind trotzdem Künstler. Wir dramatisieren die Stücke auf unsere Weise, schaffen eigene Welten und präsentieren sie dem Publikum. Ich mach’ das jetzt seit 30 Jahren gerne und kann mir nichts anderes vorstellen.
Sie haben zwei erwachsene Kinder. Wie fanden die den Beruf ihrer Eltern?
Dorothee Wellfonder: Erst spannend. Als sie älter wurden, war das nichts Besonderes mehr und manchmal auch lästig: Wenn sie von Schulkameraden darauf angesprochen wurden – Eure Eltern spielen mit Puppen und sowas. Beide haben heute jedenfalls keinen Hang zu dieser Kunst.
Es hieß mal, sie bekämen Geld aus öffentlichen Kassen . . .
Wolfgang Kaup-Wellfonder: Das war Quatsch. Im Mülheimer Etat stehen zwar 30 000 Euro. Das ist aber erst der Fall seitdem sich die Stadt für ihre eigenen Betriebe Geld überweist. Wir haben einen mietfreien Raum. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir sind sehr froh darüber. Dafür bieten den Bürgern regelmäßig Familientheater. Zudem hatten wir viele Festivals nach Mülheim geholt. Tatsächlich haben wir nie vom staatlichen Tropf abgehangen, trotzdem eine Familie ernährt und ein Haus gebaut. Damit sind wir doch vorbildlich für den Kulturbetrieb.
Wie lange wird es die Wodo-Bühne noch geben?
Wolfgang Kaup-Wellfonder (lachend): Da ist Roberto Ciulli mein Vorbild, der mit fast 80 Jahren immer noch ein Theater leitet. Nein, ernsthaft – wir spielen einfach weiter. Denn wir machen’s einfach schweinegerne.