In der Geschichte des Kunstmuseums muss man schon lange zurückblättern, bis man auf eine so schwergewichtige und vielversprechende Ausstellung wie die heute beginnende Macke-Ausstellung „Sehnsucht nach dem Paradies“ stößt. Davon profitiert auch die Stadt. Die große Präsentation der Sammlung Ziegler 2010 mit zahlreichen, dem Publikum bis dahin noch nicht gezeigten Werken zählt sicherlich dazu. Und doch kann man diese Ausstellungen, die beide nur durch die Stiftung Sammlung Ziegler möglich geworden sind, kaum vergleichen. Schon allein wegen der Fülle der Leihgaben nicht. Es sind mehr als die Hälfte der 70 ausgestellten Werke. So sind bis zum 27. April viele Arbeiten zu sehen, die man von Plakaten kennt oder deretwegen man nach Bonn, Hamburg oder München fahren würde: etwa das Türkische Café 1, der Seiltänzer oder die Spaziergänger im Park. Nur das Museum in Münster, das über einen reichen Macke-Schatz verfügt, ist nicht vertreten.
Neue Beleuchtung zahlt sich aus
Dort wird gerade der Neubau eröffnet und somit ist die Bereitschaft Hauptwerke auszuleihen, nicht sehr groß, wie Michael Kuhlemann, Kurator der Ausstellung und Mitarbeiter der Stiftung, bedauert. Ohne die neue Beleuchtung, die es ermöglicht, die Lichtintensität jedes Strahlers zu dimmen, wäre es dem Museum aus konservatorischen Gründen gar nicht möglich gewesen, all die Werke zusammen zu tragen. Durch den großen Aufwand war daher auch ein kleiner Top-Zuschlag beim Eintritt unumgänglich.
Aber der Erfolg der Ausstellung ist schon längst nicht mehr nur Versprechen. Es gibt auch schon interessante Fakten: Das fängt beim Medieninteresse an. Agenturen wollen bedient werden, unter dem guten Dutzend Journalisten ist neben einer Kollegin aus Heidelberg auch die Bild-Zeitung. Schon vor der Ausstellungseröffnung haben sich 80 Gruppen angemeldet. „Die Lehrer der Schulen haben wir noch gar nicht detailliert informiert“, sagt Museumschefin Beate Reese. Ihnen wird ein umfangreiches nach Alter gestaffeltes Angebot gemacht. Erstmals hat das Museum auch in Kooperation mit Hotels und der MST Pauschalangebote zusammengestellt. „Das läuft sehr gut. Wir haben täglich Anfragen“, sagt Heike Blaeser-Metzger von der Stadtmarketinggesellschaft MST. 50 Buchungen lägen inzwischen vor – auch aus Nord- und Süddeutschland. „Wir haben die Angebote schon auf der Tourismus Messe in Stuttgart vorgestellt und sind dort damit auf Interesse gestoßen.“ Blaeser-Metzger geht davon aus, dass das längst nicht das Ende der Fahnenstange ist.
Ungebrochene Faszination
Aber worin besteht die große Faszination der Macke-Bilder? Sind es die leuchtenden Farben, die lebensbejahende Leichtigkeit der Themen, der Verzicht auf alles Schroffe und Brutale, das den Alltag belastet, oder die Malweise, die bei aller Reduzierung nur in Ausnahmefällen bis zur kompletten Abstraktion vordringt. Schon 1906 schrieb der 19-Jährige an seine spätere Frau Elisabeth Gerhardt über sein Ziel: „Die Welt anzustaunen mit allen ihren Schönheiten.“ Komposition ist alles. So geht er frei mit der Realität um, und verpflanzt schon mal einen Turm von Duisburg nach Freiburg in die Schweiz. Den Großstadtszenerien der Expressionisten stellte Macke Besuche im Tiergarten, Spaziergänger, Frauen beim Schaufensterbummel, Zirkusszenen und das heimische Idyll entgegen. Ganz besonders oft malte er dabei seine Frau: als lasziven Akt, als behütende Mutter, wie eine Madonna oder bei Handarbeiten, auf dem Balkon.
Nur zehn Jahre Schaffenszeit blieben dem 1887 Geborenen, der sein Leben wie im Zeitraffer verbrachte, wie Kuhlemann es nennt. Nur 27 Jahre wurde Macke - ein Alter, in dem Künstler wie Kandinsky oder Picasso ihre große Karriere noch vor sich hatten. Mit Dingen, die ihn nicht weiterbrachten, hielt er sich nicht auf: die Schule brach er ab, das Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie genauso wie den Unterricht bei Lovis Corinth.
Er reiste, nicht nur nach Tunis, sog die Techniken der Meister aus Vergangenheit und Gegenwart auf und destillierte seinen eigenen Stil. Er war fleißig, arbeitete wie besessen, oft wirken seine Arbeiten so flüchtig, bleiben Figuren ohne Gesichter, dass nicht klar ist, ob das Werk überhaupt vollendet ist. „Macke ist der französischste unter den Expressionisten“, sagt Kuhlemann. Bezüge von Delacroix bis Delaunay können nachvollzogen werden.
Ganz wichtig ist Matisse. „Matisse wie Macke träumen von einer Kunst des Gleichgewichts und der Ruhe, und beider Kunst ist nicht anzumerken, dass es gerade das einfache im malerischen Prozess ist, dass dem Künstler die allergrößte Anstrengung abverlangt“, schreibt Kuhlemann in dem neuen Katalog über die Sammlung Ziegler.