Die Jacke des Syrers hängt immer an dieser einen Stelle auf der Bühne. Er hatte sie während der Proben stets dort abgelegt, dann musste er plötzlich das Land verlassen. „Er wurde in seine Heimat Syrien abgeschoben“, erinnert sich Adem Köstereli, der die künstlerische Leitung für das Projekt „Ruhrorter“ übernommen hat. In diesem arbeitet er mit Mülheimer Flüchtlingen aus dem Iran, Afghanistan oder Serbien, die gemeinsam ein Theaterstück proben, und eine Ausstellung planen. „Die Jacke haben wir als Zeichen und Erinnerung dort hängen lassen.“
Das Leben eines Menschen lässt sich schwer in Kategorien fassen. Trotzdem werden Flüchtlinge häufig in solchen bewertet, sei es von Institutionen oder von ihren Mitmenschen. Das Projekt mit dem Arbeitstitel „Ruhrorter“ versucht, sich mit den Problemen der Stigmatisierung auseinanderzusetzen, gar sie umzukehren. Schließlich kann es bereichernd sein, die Stadt und ihre Gesellschaft durch die Brille des Fremden zu sehen. Das ist Ziel des Projekts: Die Menschen aus der Isolation herauszuholen, ihre Geschichten und ihre Sicht auf die Stadt öffentlich zu machen. „Wenn eine Stadt wie Mülheim Flüchtlinge aufnimmt, sollte sie dafür sorgen, dass sie als Mitmenschen wahrgenommen werden“, findet Sven Schlötcke, Dramaturg des Theaters an der Ruhr, welches das Kunst- und Theaterprojekt finanziell fördert und an dem auch die Proben stattfinden.
Projekt steht auf drei Säulen
Das Projekt „Ruhrorter“ steht auf drei Säulen: „Zunächst gibt es das Theaterstück“, erklärt Adem Köstereli. 15 Personen zwischen 13 und 39 Jahren treffen sich regelmäßig, um gemeinsam zu proben, zu diskutieren, zu erinnern, zu erzählen. Die Teilnehmer kommen aus dem Iran, Serbien, dem Kosovo, aus Mazedonien oder von den Seychellen, gesprochen wird auf Englisch, Französisch, Deutsch oder Arabisch. Jeder bringt seine eigene Geschichte von Flucht, Unterdrückung und Diskriminierung mit sowie seine eigenen Erwartungen an eine bessere Zukunft mit. All diese Erfahrungen fließen in die Arbeit ein. Begleitet und dokumentiert wird das Ganze vom Cambridger Anthropologen Jonas Tinius – die Dokumentation ist die zweite Säule, auf der das Projekt steht.
„Die dritte Säule bildet eine Kunstinstallation“, sagt Adem Köstereli. In dieser werden Interviews, Briefe, Geschichten und Probetagebücher der Teilnehmer zu sehen sein. Für das Theaterstück und die Ausstellung haben Adem Köstereli und Jonas Tinius die Räume eines ehemaligen Asylbewerberheims an der Ruhrorter Straße ausgesucht. Dort sind die Spuren des Flüchtlingsheims noch zu sehen – und zu spüren. „Ein Ort, der zu einem solchen Projekt passt“, finden beide.