Für diejenigen, die regelmäßig durch die Innenstadt gehen, sind Leerstandsquoten keine Nachricht. Wie desolat die Handelssituation in der Innenstadt ist, sehen sie mit eigenen Augen. Zuletzt hatte
Ernstings Family
an der unteren Schloßstraße aufgegeben, weil sich nach dem Umzug ins Forum, wie erwartet, zwei Filialen in nur wenigen hundert Metern Distanz nicht rechnen. Dorthin war auch der Jeans-Händler Outfit umgezogen. Für die Kinder-Mode-Kette Okaidi waren die Umsatzzahlen so schlecht, dass sie es vor Monaten schon vorzogen, lieber zu schließen und Miete zu zahlen, als weiter das Personal zu beschäftigen. Vor einigen Tagen hat am Berliner Platz das Schnellrestaurant Di Lara geschlossen, was auf Facebook zu einer lebendigen Diskussion über den Zustand der Innenstadt und die Steuerungsmöglichkeiten der Politik mit rund 150 Kommentaren führte (siehe Seite 2). Und die Wüstenperle, die nach längerer Durststrecke an der Wallstraße die Pyramide ablöste, ist wie die Karawane weitergezogen und ziert inzwischen das Schifferhaus an der Löhstraße, wo zuvor eine noch längere Trockenphase zu erleben war. Und die Ruhrpottlocals werfen jetzt auch das Handtuch, um sich auf ihr boomendes Standbein Kerzilein zu konzentrieren. Den Laden, der zur Produktionsstätte wird, führen sie auf Sparflamme mit Minisortiment weiter. Und ob Ercan Keskin, der an der Ruhrpromenade in exponierter Lage ein Eiscafe eröffnen will, wenn er denn von Kondor Wessels den Zuschlag tatsächlich erhalten sollte, seinen Stammsitz an der Schloßstraße halten wird, ist nicht sicher.

Und wo bleibt das Positive?

Kürzlich hatte mit Ho-Ho ein neuer Chinese die Nachfolge im Wong-Palast an der Leineweberstraße angetreten. Und auf den Schuhmarkt Voswinkel, der ebenfalls der größeren Kundenfrequenz wegen ins Forum umgezogen ist, folgte vor einigen Wochen der Drogeriemarkt Rossmann. Am Eingang des Rüterhauses wartet man bislang allerdings vergeblich auf den Abschluss der Bauarbeiten. Über der Eingangstür ist der bloße Stein zu sehen. Die zentrale Frage aber ist, ob zwei Drogeriemärkte vis a vis dauerhaft überlebensfähig sind, vor allem, weil sich ein weiterer DM-Markt unweit im Forum befindet.

Die Zahlen, wenn man sie schwarz auf weiß liest, erschrecken dann aber dennoch. Die Quote bezieht sich auf die Anzahl der Geschäfte. Würde man die Quadratmeterzahl zugrunde legen, wäre die Bilanz noch verheerender, weil dann unter anderem der Kaufhof, die ehemaligen Standorte der MST, von Vero Moda und von Woolworth sich stärker bemerkbar machen würden. So steht in der Schloßstraße und der Friedrich-Ebert-Straße jedes dritte Ladenlokal leer. Auf der Wallstraße ist es jeder vierte Laden.

Zeit zu handeln, sollte man meinen. So denkt das auch die heimische Wirtschaft - seit 12 Jahren. Wirtschaftssprecher Heinz Lison erinnert sich mit Verärgerung daran zurück, dass er schon zu Beginn seiner Amtszeit mit Gutachtern und IHK-Vertretern auf der Leineweberstraße gestanden hat. „Für alle Beteiligten war damals schon klar, dass was passieren muss“, klagt Lison. Passiert ist nach seinem Empfinden: nichts. Nichts Entscheidendes. „Es wird einfach nicht entschieden“, schimpft Lison, der es schon damals begrüßt hätte und noch heute begrüßen würde, wenn die Bäume auf der viel zu dunklen Straße gekappt oder gefällt würden und mit dem Licht auch einladende Freundlichkeit Einzug hielte. So aber, mit schuldhaftem Nichtstun, dämmere die zweitprominenteste Straße der Stadt vor sich hin.