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b man nun Kunstwerke verkauft oder, sagen wir mal, Bügeleisen - gibt es da überhaupt Unterschiede? Handel ist schließlich Handel und der funktioniert nach bestimmten Gesetzen. Auf dem Markt muss eine Nachfrage bestehen. Ist die hoch, das begehrte Gut aber knapp, dann geht der Preis hoch.
Und in der Tat, die Marktgesetze gelten auch für den Kunsthandel. Und gerade diesen Aspekt darf man nicht aus den Augen verlieren, wenn man als Händler dort Erfolge verbuchen will. Das ist zumindest die Erfahrung von Gerold Hamé, der auf der Schloß- und der Wallstraße eine Galerie betreibt. Allerdings weiß er auch: Natürlich gibt es auch Unterschiede. Ein Bügeleisen soll einfach nur bügeln. Wenn man ein Gemälde kauft, dann bekennt der Käufer sich auch zu einem bestimmten Lebensstil. Jede Kunstepoche verfügt über so ein eigenes Lebensgefühl. Und mal ist das eine mehr im Trend als das andere. Und da gilt dann auch wieder das bekannte Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Die spannende Frage aber lautet: Wie werden vorher solche Trends gemacht? Als Beobachter von außen kann man da schon ins Staunen geraten. Da wurde im November ein riesiger, roter Luftballon-Hund des berühmten Jeff Koons für unglaubliche 58,4 Millionen Dollar versteigert. Gehen da nicht Relationen verloren? Denn auf der anderen Seite gibt es Künstler, die es schwer haben, mit ihrer Kunst überhaupt ihre Existenz zu bestreiten. Nicht weil diese Kunst keine Qualität aufweisen würde, sondern einfach nur deswegen, weil sie eben noch nicht zum Trend geworden ist. Der aktuelle Ruhrpreisträger Eberhard Ross hat kürzlich in dieser Reihe davon berichtet, welche Anstrengung es kosten kann, solche Phasen zu überstehen und gleichzeitig seinem eigenen Ansatz treu zu bleiben. Mit solchen Auswüchsen hat Kunsthändler Gerold Hamé freilich nichts zu tun. Und er ist glücklich darüber.
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atürlich bestehe auch die Aufgabe von Galerien darin, junge Künstler zu fördern. Das geht aber besser von Düsseldorf, Köln oder Berlin aus, betont Hamé. Ein anderes Problem: die kaufmännisch vertretbare Kalkulation. Es ist gar nicht so einfach, die passenden Anteile zu vereinbaren. Wie viel geht bei einem Kauf an den Händler, wie viel an den Künstler. Schließlich muss der Künstler davon leben.“ Besonders schwierig sei es, wenn Händler und Künstler miteinander befreundet seien. Dann gibt es schnell Konflikte. Da muss die Ausstellung bei einem anderen Künstler nur mal etwas länger dauern und schon gibt es Neid.
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erold Hamés Spezialgebiet lautet aber „Kunst aus dem Exil“. Ein Thema, dem er sich schon seit vielen Jahrzehnten verbunden weiß. Und zwar seit Tagen, als er noch nicht geahnt hat, dass er einmal selbst eine Galerie betreiben könnte. In seiner Familie wurde gesammelt und er wurde selbst zum Sammler. Für ihn aus heutiger Sicht ein Vorteil: Ich weiß, wie sich Sammler einem Objekt nähern. Das berücksichtige ich natürlich, wenn ich Werke zum Verkauf erwerbe. Da gäbe es unterschiedliche Typen: Manchen ist zum Beispiel das Handeln wichtig. Es ist auch etwas Spielerisches dabei.
Hamé hat aber noch aus anderen Gründen Interesse an diesem Zeitabschnitt. Mich hat auch immer der historische Hintergrund interessiert. Die Kunstwerke sind Zeugnisse ihrer Zeit. Sie erzählen selbst eine Geschichte. Und diese Geschichten sind spannend. Der beste Beweis dafür: der Fall Gurlitt und der Kunstschatz der im Nationalsozialismus verfemten Werke - schon lange nicht mehr war Kunst plötzlich in dieser Weise ein öffentliches Thema. Da sind zum Einen die Schicksale der Künstler, die vor den Nazis geflüchtet sind. Aber auch die Werke selbst sind für Gerold Hamé besondere Zeitzeugnisse. In ihnen verdichten sich Ideen, die einmal dem Zeitgeist entsprachen, heute aber vielfach vergessen sind. Auch deswegen geht die Beziehung, die Hamé zu dieser Kunstepoche hat, über die eines reinen Händlers hinaus: Ich sehe schon meine Aufgabe darin, mit dafür zu sorgen, dass vergessene Künstler überhaupt wieder wahrgenommen werden. Damit trage ich auch dazu bei, diese Kunst zu erhalten. Hamé, der sich besonders für Ur- und Frühgeschichte interessiert, kommt sich dann wie ein Archäologe vor. Er fördert Vergessenes wieder zu Tage.
Und dank des Gurlitt-Falls liegt die „Kunst aus dem Exil“ mittlerweile tatsächlich im Trend. Hamé hat diese Entwicklung zuerst im Internet bemerkt. Dort ist er mit seiner Galerie nämlich auch präsent.
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um Beispiel bei Facebook: Weniger allerdings, um so direkt mit Kunden in Kontakt zu treten. Facebook ist vor allem hilfreich dabei, sich mit Kunstmuseen und Galerien in aller Welt zu vernetzen. Das Soziale Netzwerk dient ihm als eine Art Nachrichtendienst: Man bekommt mit, welche Künstler wo ausgestellt werden. Da kann man dann Tendenzen feststellen. Das Internet ist also eine Art Stimmungsbarometer. Hier zeichnet sich ab, was demnächst in seiner Galerie gekauft werden könnte.
Und diese Trends sind global. Vor allem nach Israel und in die USA pflegt er Verbindungen. Dort hat er auch Kunden, gilt Hamé eben doch für sein Gebiet als Experte. Auch dann nutzt er das Internet zur ersten Kontaktaufnahme. Hier bedient sich der Kunsthändler vor allem des Dienstleistungsportals „Flickr“. Allerdings weiß er auch: Der Kontakt über das Netzt ist hilfreich. Der Kunde kann so schnell feststellen, ob mein Angebot seinem Profil entspricht. Irgendwann kommt es dann aber doch zu einer persönlichen Begegnung. Dann natürlich, wenn eine größere Summe im Spiel ist. Das Vertrauensverhältnis ist ganz wichtig.
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ber Gerold Hamé wirkt als Kunsthändler auch vor Ort. Schließlich gehören zu den Künstlern aus seinem Spezialgebiet auch viele mit Mülheimer Bezug: Werner Graeff etwa nimmt bei ihm einen großen Raum ein. Seine Erfahrung: Menschen, die hier leben und Kunst sammeln möchten, schätzen, so einen regionalen Bezug. Sie hängen so ein Werk dann in ihr Wohnzimmer oder aber auch in ihre Geschäftsräume: das ist dann auch ein Bekenntnis zu einem kultivierten Lebensstil. Sie wollen dann auch die Geschichte zu diesem Werk erzählen können.
Genau dabei zu helfen, darin sieht Gerold Hamé eine wichtige Aufgabe. Es muss ein authentischer Bezug hergestellt werden. Und wenn der da ist, dann hat so ein Kunstwerk auch ganz konkret seinen Wert.
Unter Umständen kann das allerdings auch mit einem Bügeleisen funktionieren. Ob dieser Trend noch kommt? Dann käme es ganz auf die Vermarktung an. Aber das ist eine andere Geschichte.