Ob Briefmarken oder Kunst: Der bisher reduzierte Mehrwertsteuersatz ist erhöht worden

„Ich habe überlegt, ob ich meinen Laden schließen soll.“ Klaus Gebhard betreibt aber auch im neuen Jahr seinen Geschäft für Briefmarken und Münzen an der Bachstraße weiter. Warum er diesen Gedanken hatte? Seit dem 1. Januar gilt eine neue Mehrwertsteuerregelung: Bisher wurden Briefmarken, Münzen, aber auch Kunstgegenstände mit 7 Prozent Mehrwertsteuer veranschlagt, nun gilt auch für diese Waren der 19 Prozent-Satz. Eine Angleichung an den EU-Standard.

Für Gebhard, der mittlerweile den letzten Laden dieser Art in der Stadt betreibt, eine Entscheidung mit Folgen. Eines steht für ihn fest: „Ich kann das nicht auf den Kunden umlegen.“ Die Folge wäre: Sie bleiben ganz weg. Also macht er weiter. Einfach ist es nicht. Eine Szene aus dem Geschäftsalltag verdeutlicht es: Eine ältere Dame betritt den Laden. Sie hat zwei Tüten mit Briefmarken-Alben dabei. Sie stammen aus einem Nachlass. Ob das für ihn interessant wäre? Marken aus Berlin – postfrisch oder gestempelt. „So was heißt bei uns: Kiloware. Diese Marken sind in Massen produziert worden. Auch wenn für diese Marken im Katalog ein gewisser Wert angegeben wird. Dafür finden sich keine Interessenten.“ Solche Angebote, die sich für ihn als Händler nicht rentieren, sind Alltag. Er lehnt das Angebot dankend ab.

Um sich aber unter Sammlern einen Namen zu machen, die nach wirklichen Raritäten suchen und auch bereit sind, dafür Geld zu investieren, muss er andere Akzente setzen. Gebhard setzt auf Profilierung. Stolz zeigt er einen Brief aus dem Jahre 1939. Auf dem Umschlag kleben die Standard-Marken dieser Jahre – interessant für den Sammler sind aber die Stempel: Sie dokumentieren den Weg, den der Brief per Luftpost von Böhmen und Mähren bis nach Java zurückgelegt hat – kurz nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. So ist der Brief zu einem eindrucksvollen Zeitdokument geworden. So etwas, so weiß Gebhard, suchen Sammler. Und er ist natürlich auch immer auf der Suche nach solchen Stücken. „Da muss ich auch viel Fachliteratur zu lesen“, betont er. Expertenwissen sei gefragt. Doch dank dieser Kompetenzen verfüge er auch über die Stadtgrenzen hinaus über einen Kundenstamm.

Freilich der Weg an solche Stücke zu kommen, ist mühsam. Manchmal gehören sie zu einem Nachlass, aber bis man auf sie stößt, vergeht Zeit. Entsprechend stellt er dann seine Angebote zusammen. Und da ist er wieder bei dem Problem mit der Mehrwertsteuer. „Es gibt die Möglichkeit, den Warenbestand aufzuteilen. 70 Prozent wird noch nach dem alten Steuersatz berechnet, 30 Prozent nach dem neuen.“ Aber wo soll er den Schnitt ziehen. Man hat ihm auch schon geraten, er solle die einzelnen Marken mit einem Barcode versehen. Aber über diesen Vorschlag kann er nur lachen. Angesichts der großen Vorräte würde so eine Aktion viel zu lange dauern und der Effekt wäre zu gering. Er macht also weiter wie bisher und versucht die Mehrbelastung vom Kunden fern zu halten. Trotz allem ist er optimistisch: „Schon in den 50ern wurde geklagt, dass es kaum noch junge Briefmarkensammler gebe. Wenn das wirklich gestimmt hätte, dürften jetzt ja überhaupt keine mehr existieren.“ Also werde der Briefmarkenhandel auch jetzt noch Zukunft haben. Auf die Steuersatzerhöhung hätte er trotzdem verzichten können.

Auch die Galerien sind von der Mehrwertsteuer-Erhöhung betroffen. Denn auch für die Kunst, die dort verkauft wird, galt bisher der reduzierte 7 Prozent-Satz.

Ricarda Fox, Inhaberin einer Galerie in der Liverpoolstraße, sieht diese Entscheidung kritisch. „Galerien spielen eine wichtige Rolle im Kunstleben. Durch so eine Entscheidung wird ausgedrückt, dass man das nicht wertschätzt.“ Außerdem befürchtet sie, dass sich nun der Handel auf Nicht-EU-Länder wie etwa die Schweiz konzentrieren könnte.

Auch Gerold Hamé, Galeriebesitzer an der Wall- und der Schloßstraße, hat ebenfalls Bedenken. Vor allem ein Regelungs-Vorschlag habe, so sein Eindruck, für mehr Verwirrung als Klärung gesorgt: „Man kann 70 Prozent der bereits vorhanden Ware noch nach alten Satz berechnen, die restlichen 30 nach dem neuen.“ Wie das aber praktisch geregelt werden soll, sei nicht klar.