Unermüdlich wollen Verdi (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) und andere Gewerkschaften im kommenden Jahr an Themen zu Arbeitnehmer-Rechten und Gerechtigkeit arbeiten. Seit zehn Jahren besteht die Verdi-Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn. Durch die Große Koalition ist dieser nun näher gerückt. Auch die alljährlichen Tarifverhandlungen, inklusive möglicher Streiks im öffentlichen Dienst, treiben die Gewerkschafter um. Die Redaktion sprach mit Günter Wolf, stellvertretender Verdi-Geschäftsführer, über die Umsetzung des Mindestlohnes, über Leiharbeit und die Forderungen bei der anstehenden Tarifrunde.

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zum Thema flächendeckender Mindestlohn?

Günter Wolf: Ich bin verhalten optimistisch und fürchte, es wird sich nicht allzu viel verändern. Dafür, dass die SPD die Wahl verloren hat, hat sie gut verhandelt. Beim Mindestlohn wurde eine Weiche gestellt. Uns geht es allerdings nicht schnell genug. Vor allem in Bezug auf die Übergangsmodalitäten, die zur Debatte stehen. CSU-Chef Seehofer hat kürzlich Ausnahmen beim Mindestlohn von 8,50 Euro gefordert. Dass zum Beispiel Rentner ausgeschlossen werden, halten wir nicht für gut. Dass Rentner bei uns überhaupt auf Arbeit angewiesen sind, halte ich schon für einen Witz. Im Moment ist allerdings noch gar nicht klar, wie und wann alles umgesetzt wird. Wahrscheinlich erst 2017, dann ist die Legislaturperiode schon fast zu Ende. Es könnte eine Mogelpackung sein. 8,50 € ist ein Stundenlohn, bei dem Menschen, die Vollzeit arbeiten, immer noch aufstocken müssen, das heißt Wohngeld oder andere staatliche Hilfen beantragen müssen.

Warum haben Sie nicht einen höheren Mindestlohn gefordert?

Ich persönlich fände auch 10 € angemessen, aber innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes war die Forderung nach 8,50 € mehrheitsfähig. Aber es wird sicherlich, wie in anderen europäischen Ländern, einen Mindestlohnrat geben, der die Höhe des Mindestlohns jährlich überprüfen wird, damit wir hoffentlich schnell bei 10 € landen. In nahezu allen europäischen Ländern gibt es bereits seit langem Mindestlöhne.

Wie sieht es mit dem Thema Leiharbeit aus?

Wie erhoffen uns eine Nachjustierung, um weitere Fehlentwicklungen auszuschließen. Leiharbeit wurde in den 1980er Jahren zur Abdeckung von saisonalen Spitzen unter Kanzler Kohl eingeführt und sollte nicht länger als drei Monate dauern. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ist dieses Gesetz immer mehr aufgeweicht worden. Jetzt wird wieder über eine zeitliche Befristung nachgedacht. Das ist auch die Forderung von Verdi.

Die Leiharbeit muss einen Deckel bekommen. Es gibt ganze Belegschaften, die über die Jahre ausgetauscht wurden und dann in einer Krise als erste gehen müssen, wie bei Opel geschehen.

Wie geht es weiter beim Kampf für den Erhalt der Mülheimer Straßenbahn?

5000 Unterschriften hat das Verdi- Aktionsbündnis der Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld übergeben. Wir bleiben weiter dran. Es wäre fatal, wenn das umweltfreundliche Verkehrsmittel Straßenbahn weichen müsste.

Welche Aktionen sind für das kommende Jahr geplant?

Unsere große Herausforderung ist die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst. Der Auftakt findet am 5. März in Potsdam statt. Wir haben in Mülheim und Oberhausen schon eine Forderung mit unseren Vertrauensleuten diskutiert.

Verdi wird einen Sockelbetrag von 100 € auf jedes Gehalt fordern und darauf sollen 3,5 Prozent aufgeschlagen werden. Wir werden uns jetzt auf einen heftigen Arbeitskampf einstellen!