Das war knapp. 33 Sozialdemokraten für Dieter Wiechering, 26 Sozialdemokraten für Heino Passmann. Formal hat damit der SPD-Ortsverein Broich gestern Abend den Ratsbewerber für den Nord-Wahlkreis im Ruhrkristall nominiert. Aber es war mehr als das.

Enttäuschung war dem einem, dem 41-Jährigen, ebenso deutliche anzusehen, wie die Erleichterung dem 71-Jährigen. Für die Entscheidung bedurfte es wohl der Autorität von Dagmar Mühlenfeld, die gestern Abend überraschend bei der Mitgliederversammlung zugegen war. „Der nächste Rat wird bunt und chaotisch ohne Ende. Dieter Wiechering ist für mich deshalb als Fraktionsvorsitzender unverzichtbar“, sagte sie, wie später klargestellt wurde als stellvertretende Parteivorsitzende, weil der Vorsitzende, Lothar Fink, nicht anwesend war, angeblich noch einen anderen Termin hatte. Zuvor hatte Mühlenfeld angedeutet, möglicherweise als Oberbürgermeisterin doch nicht mehr antreten zu wollen. Auch diese Botschaft war klar verständlich.Ihr Auftritt hatte bei mehreren Genossen für Verwunderung, ja Empörung gesorgt. Einer der sich offen über die Parteinahme irritiert zeigte, war Hans-Jürgen Walter, der zu den Gefolgsleuten von Passmann zählt.

Beide Seiten hatten ihre Truppen mobilisiert, so dass sich im Hinterzimmer des Ruhrkristalls schließlich 59 stimmberechtigte Parteimitglieder drängten – so viele wie schon seit Jahren nicht mehr. Viele hatte man seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, darunter auch städtische Mitarbeiter: Amtsleiter Uwe Alex, Stadtsprecher Volker Wiebels, Denkmalschützer Erich Bocklenberg, Wirtschaftsförderer Heiner Mink und noch weitere.

Dabei wurde Heino Passmann nicht müde, die Auseinandersetzung als normalen Vorgang darzustellen. Das betonte auch Mühlenfeld. Deshalb seien auch Begriffe wie Kampfansage oder Showdown allesamt Quatsch, wie Passmann in seiner auf zweieinhalb Seiten konzipierten Rede feststellte. Er wolle auch nicht die Lebensleistung von Dieter Wiechering ignorieren. Aber es könne nicht sein, dass jemand schier unendlich im Amt bliebe, um es dann zu vererben. Seine Kandidatur komme auch nicht aus heiterem Himmel, er habe sie vor Jahren angekündigt und Wiechering habe ihn sogar darin bestärkt.

„Wahlen leben von Alternativen“, stellte er fest. Sein Ziel sei es, bei der Kommunalwahl in jedem Wahlkreis das bestmögliche Ergebnis rauszuholen. Dazu brauche man neue Köpfe und auch neue Formen der Kommunikation. Wie die aussehen sollen, ließ er allerdings offen. Er empfahl sich als der soziale Mensch, der im Ortsteil verbunden sei, wisse, was die Menschen bewegt.

Der kämpferischen Rede setzte Wiechering ohne die gewohnten Spitzen und Angriffslust nüchtern die Stationen seiner politischen Laufbahn entgegen. Eine Debatte über das Lebensalter könne er ertragen, weil er weder schwach noch tüdelig sei. „Dass ich eine Fraktion führen kann, habe ich in der Vergangenheit oft genug bewiesen und wenn ihr es wollt, werde ich es auch in Zukunft tun“, sagte er schließlich.

Nach der Wahl zieht Passmann die Konsequenzen. Noch am Abend tritt er als Vorsitzender des Ortsvereins zurück, überlässt seinem Stellvertreter Cem Aydemir die Leitung der Sitzung. Er schlägt das Angebot aus, wie vor vier Jahren in Broich Süd zu kandidieren. Der vorgesehene Kandidat, der 60-jährige Neuling Ulrich Dittmer hätte für ihn zurückgezogen. Wenig später erhält Dittmer (12 Genossen sind da schon gegangen!), 30 von 47 Stimmen - ohne Gegenkandidaten.

Passmann erklärte, er wolle auch auf dem Parteitag, der im Februar endgültig die Liste für die Kommunalwahl am 25. Mai festzurrt, die Empfehlung des Ortsvereins nicht korrigieren. Jetzt ist es so, wie er es Mitte des Jahres schon einmal gesagt hat: „Ich ziehe mich aus der Politik zurück.“

Da erst betritt auch Lothar Fink das Hinterzimmer.