Das kommt eher selten vor: Der Vorstand der Stadtverwaltung soll vom Rat offiziell gerügt werden. Das beantragen die Grünen für die letzte Ratssitzung in diesem Jahr am Mittwoch. Sie werfen der Stadtverwaltung vor, die lokale Politik über die kritischen Aspekte in den eigenen Gutachten zu den Zinswetten nicht informiert zu haben. Die Zinswetten, die daraus resultierenden finanziellen Probleme für die Stadt und die Frage, ob eine Klage erfolgsversprechend sein kann, sind seit Jahren ein Dauerthema.

Zuletzt berichteten wir darüber, weil die Kollegen der WAZ erfolgreich vor dem Oberverwaltungsgericht auf Akteneinsicht geklagt hatten, die die Stadtverwaltung der Redaktion verweigern wollte. „Nicht erfolgte Transparenz“, beklagen die Grünen. Durch die Zinswetten ist der Stadt bisher ein Schaden von über zehn Millionen Euro entstanden.

„Erhebliches Mitverschulden“

Das Rechtsgutachten der Stadt zu den Zinswetten war unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass leitende Finanzbeamte der Stadt keineswegs grob fahrlässig gehandelt, aber ein „erhebliches Mitverschulden“ an den Wettdebakel haben. „Es könnte der Verdacht entstehen, dass den Fraktionen bewusst Informationen vorenthalten wurden, damit die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden können“, so Eva Weber von den Grünen.

Von einem „vorgezogenen Vorhang“ durch die Verwaltung, spricht auch Peter Beitz, Fraktionschef der FDP. Er ist froh, wenn die Geschichte zu Ende ist und hofft, dass die Stadt im Rechtsstreit mit den Banken, die Verluste minimieren kann. Im Rat will die FDP das Verlustgeschäft nicht thematisieren, die SPD auch nicht. Doch deren Fraktionschef Dieter Wiechering versichert: „Wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Auch aus seiner Sicht, hätte die Stadtverwaltung die Pflicht gehabt, den Rat besser zu informieren. Dass die Stadtverwaltung bereits vor Jahren ein Mitverschulden des eigenen Hauses an den Wettverlusten gutachterlich festgestellt habe, sei der SPD nicht dargelegt worden. Jetzt, so Wiechering, wundere es ihn auch nicht, dass von Verwaltungsseite die Klärung der Frage nach einer möglichen Klage so lange gedauert habe.

„Nichts über Risiken gehört“

Irritiert zeigte sich auch der finanzpolitischer Sprecher der CDU, Eckart Capitain, der froh ist, dass jetzt noch einmal neue Fakten zum Thema an den Tag kommen. Unterm Strich kommt er zu dem Ergebnis: Die Politik hätte in der ganzen Angelegenheit der Wettgeschäfte mehr und öfter hinzugezogen werden müssen, zumal das Volumen immer größer geworden sei. „Wir haben nur etwas über Chancen, nichts über Risiken gehört.“ Er hätte auch gerne gehört, dass die Geschäfte herbe Verluste bringen könnten. Als fatal wird heute empfunden, dass die Bezirksregierung die Geschäfte, bei denen die Städte sich noch tiefer in die Miesen reiten, sogar gebilligt hat.

Die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) fühlen sich heute in vielem bestätigt. Sie hatten mehrfach mit Anträgen im Rat versucht, Licht in die Wettgeschäfte und deren juristische Bewertung zu bringen. Sie scheiterten mehrfach im Rat und sehen daher nun in den Klagen der anderen Fraktionen über mangelnde Offenheit der Stadtverwaltung eine gewisse Scheinheiligkeit. Für Fraktionschef Lothar Reinhard geht es jetzt auch darum, wie verhindert werden kann, dass künftig derart riskante Geschäfte gemacht werden.