Ursula Toepel hat 32 Jahre lang die Gastronomie in der Volkshochschule geleitet. Sie blickt zurück auf drei Jahrzehnte VHS und erläutert, warum Großveranstaltungen wichtig sind

Wenn sie durch die Stadt geht, nicken ihr viele Menschen zu. „Volkshochschule“, denkt sich Ursula Toepel dann im Stillen, wenn ihr die Personen zwar nicht auf den ersten Blick bekannt vorkommen, sie aber trotzdem freundlich zurückgrüßt. Man merkt sich meistens nur die richtig netten Gäste oder die, die irgendeinen Ärger gemacht haben. Aber die meisten sind irgendwo dazwischen. 32 Jahre lang führt Ursula Toepel die Gastronomie in der Volkshochschule. Am Ende des Jahres ist nun Schluss - sie geht in den Ruhestand. Sie hat sich natürlich schon vor längerer Zeit dazu entschieden, trotzdem: Man merkt der 66-Jährigen an, so ganz leicht fällt ihr der Abschied auch nicht. Denn ihr Job in der Volkshochschule, das bedeutete auch immer: mitten im Leben.

Eben auch mitten im Leben der Stadt - das zeigt Toepels Erfahrung, wenn sie von Passanten erkannt wird: Die Mülheimer besuchen ihre Volkshochschule. Oder anders: Sie haben sie besucht. Diejenigen, die positive Erinnerungen an besondere Veranstaltungen, große Konzerte oder auch ein spannendes Seminar haben, sind eher im mittleren Alter. Der Seminarbetrieb hat sich schon geändert in den letzten Jahren. Ob es besser oder schlechter geworden ist, will sie gar nicht sagen. In jedem Fall aber anders. Heute hat man bei vielen Seminarteilnehmern das Gefühl, dass sie das machen müssen. Zum Beispiel zur Weiterqualifizierung im Beruf. Ich merke es an der Theke. Die sind oft nicht mehr so gesprächsbereit. Der Gast will seinen Kaffee, der Gast geht. Das war früher anders. Die Leute sind heute gestresster. Früher herrschte mehr Lockerheit. Natürlich gibt es auch heute noch diejenigen, die zum Plausch bereit sind. Ich habe mittlerweile einen Blick dafür entwickelt. Da sieht man schon bei der Bestellung, ob der andere noch plaudern will oder nicht. Dabei gab es ja gerade auch in den 80er Jahren, als Toepel anfing, viele Seminare, die zur Weiterqualifizierung im Beruf gedacht waren. Aber sie standen vielleicht unter anderen Vorzeichen als heute. Weniger Druck von oben - sondern mehr Aufstiegswille, der auch in der Hoffnung begründet lag, dass tatsächlich ein Aufstieg erfolgt.

Ursula Toepel hat ein gutes Beispiel dafür. Am Ende der Umschulungskurse von Arbeitslosen gab es immer eine Feier. Die, die einen Job gefunden haben, haben dann einen ausgegeben. Solche Kurse gibt es immer noch, aber die Feiern in dieser Form nicht mehr.

Und überhaupt muss damals in vielen Kursen eine Stimmung geherrscht haben, die in einer Schulklasse, in der echte Kameradschaft herrscht, nicht hätte besser sein können. Da war zum Einen der vertrauliche Ton. „Ein Schinken und ein Ei“, riefen Teilnehmer Ursula Toepel schon am Morgen zu, um dann zur Mittagspause das Gewünschte zu verzehren. Ein Schinkenbrötchen kostete damals 1 DM, das gekochte Ei 80 Pfennig. Und für diejenigen, denen das zu teuer war, hatte Ursula Toepel auch eine Alternative: Damals machten jüngere Verwaltungsmitarbeiter bei uns eine Fortbildung. Die fragten, ob es nicht auch was Günstigeres geben könnte. Es gab sie: Toastbrot mit Kräuterbutter. Eine andere Teilnehmerin, das war eigentlich eine ganz Schmale, die hatte immer ganz viel Hunger. Sie wurde nicht satt. Also habe ich dann Möhreneintopf gemacht.

Alle diese Geschichten zeigen, familiär ging es in der Volkshochschule zu. Und Scherze gehörten da natürlich auch dazu: Da bekam schon mal ein Dozent Maggi in den Kaffee geschüttet. Oder auf dem Käse-Brötchen lag Schmiergelpapier. Aber auch herzlich konnte es sein: Damals gab es Kurse für Analphabeten. Auch da gab es keine Berührungsprobleme. Für mich galt immer: Es kommt nicht darauf an, wer einer ist, sondern wie er ist. Und die wollten zu Weihnachten ihrem Kursleiter etwas schenken. Dazu hatten sie auch eine Karte geschrieben, waren aber etwas unsicher. Die haben sie dann zuerst mir gezeigt.

Ursula Toepel kann viele solcher Anekdoten erzählen. Sie alle unterstreichen: Eine Volkshochschule ist nicht nur ein Ort, an dem Wissensvermittlung betrieben wird. Sie ist vor allem auch ein Forum, wo Menschen zusammenkommen und sich kennenlernen. Es gibt auch Lehrer, die behaupten, dass Schüler am meisten in der großen Pause lernen würden. Warum sollte das in der Volkshochschule anders sein?

Familiär gehe es zwar immer noch zu, aber Ursula Toepel bedauert eines schon: Zu wenig Volk in der Volkshochschule. Ihr fehlen die Großveranstaltungen. Früher gab es die traditionellen Weihnachtskonzerte von FKK oder ein Rock-Festival. Da waren immer mehrere hundert Besucher dabei. Es herrschte eine tolle Stimmung. Wir haben hinter der Theke einfach mitgetanzt. Für Toepel waren das vor allem auch gute Werbeaktionen. Die Leute haben so die VHS kennengelernt. Und haben dann vielleicht auch das eine oder andere Kursangebot kennengelernt.

Warum es solche Groß-Veranstaltungen nicht mehr in solcher Zahl gibt? Ursula Toepel weiß da auch keine richtige Antwort. Es sei mehr ein schleichender Prozess gewesen. Dass es der VHS aber gut tun würde, wenn solche Events wieder öfter stattfänden, dafür hat sie ein gutes Beispiel aus der Gegenwart: Die Singabende mit Anja Lerch.

Da herrscht eine ganze tolle Stimmung. Anja Lerch ist mit ganzer Leidenschaft dabei und begeistert die Zuhörer zum Mitsingen, schwärmt Ursula Toepel. Am Donnerstag, 19. Dezember, um 19.30 Uhr ist es im Forum der VHS wieder soweit. Schon bisher kam viel Publikum, weswegen die Veranstaltung vor längerer Zeit aus dem Medienhaus hierhin verlegt werden musste, Wie viele werden nun kommen, nachdem Anja Lerch durch ihre Teilnahme bei „Voice of Germany“ berühmt geworden ist?

Eines jedenfalls steht fest: Ursula Toepel wird für den Besucheransturm gerüstet sein. Das wird sicher ein schöner Abschluss.