Mülheim.
Für Leo und die anderen „Sternenkinder“ zünden ihre Eltern einmal im Monat in einem besonderen Gesprächskreis eine Kerze an. „Wenn aus guter Hoffnung tiefe Trauer wird“ heißt diese Runde für Mütter und Väter, die ihr Kind während der Schwangerschaft, kurz vor der Geburt oder danach verloren haben. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat in der „Diakonie am Eck“. Ins Leben gerufen wurde das Angebot vor acht Jahren von der Sozialpädagogin Karin Jaesch-Kötter, die die Runde leitet, unterstützt von der Krankenhausseelsorgerin Klaudia Schmalenbach.
Ein vertrauter, ein intimer Kreis
Es ist eine fließende Gruppe, die Teilnehmer/-innen wechseln, manche kommen nur einmal, manche bleiben länger. „Es ist ein vertrauter, ein intimer Kreis“, sagt Karin Jaesch-Kötter. „Der Kreis gibt Sicherheit, er ist ein geschützter Raum“, ergänzt Maria S. „Man kann sich öffnen, man muss es aber nicht.“
Die 31-Jährige und ihr Mann (35) sind inzwischen seit einem eindreiviertel Jahr dabei. Das Duisburger Ehepaar lernte Pfarrerin Schmalenbach noch im Ev. Krankenhaus kennen, erfuhr dort auch von der Gruppe. „Wir hatten“, erinnert sich Maria S., „erst Vorbehalte gegen eine Selbsthilfegruppe. Man hat ja doch Klischees im Kopf. Aber schon am ersten Abend stellten wir fest, dass es uns gut tut.“
Es sei ihnen klar gewesen, dass sie nach dieser traumatischen Erfahrung Hilfe von außen brauchen würden, sagt ihr Mann, dem es viel bringt, „die Gedanken der anderen zu hören“. Gedankenlosigkeit haben wohl viele im Gesprächskreis schon einmal erlebt. Wie jenen leicht dahingesagten Spruch, dass man doch noch andere Kinder haben könnte. Kein Spruch, der trösten kann in der Trauer um das eine, das verlorene Kind, das man nie mehr haben kann, das immer unersetzlich bleiben wird.
Im Gesprächskreis wird man aufgenommen mit seiner Trauer, dort bekommt das verlorene Kind einen Platz, dort spricht man über Gedanken und Gefühle, die man mit anderen, nicht Betroffenen, kaum teilen kann und mag. Fragen, die man sich stellt, ob man etwas anders hätte machen können, machen müssen. Tröstende Gedanken werden ausgetauscht, etwa, wo die Trauer ihren Ort haben kann. „Jedes Elternpaar geht anders damit um“, berichtet Maria S. „Für uns war wichtig, dass unser Sohn im eigenen Grab auf einem Kinderfeld liegt.“ Grab und Grabstein haben die Eltern selbst gestaltet, pflegen es, besuchen es regelmäßig. Bei der Heirat des Paares in diesem Jahr war selbstverständlich ein Bild von Leo dabei. „Unser Kind gehört zu uns. Wir sind Eltern und er ist bei uns“, sagt Maria S.
Die Trauer schwindet nicht, sie wandelt sich, berichtet das Paar. Es schmerzt, wenn jemand fragt, wie lange man denn noch trauern will. Trauer kennt kein Maß und keine Norm. Egal, in welcher Phase der Schwangerschaft der Verlust geschah. Ein Tabuthema, das Maria und Frank S. gern mehr in der Mitte in der Gesellschaft sähen. „Wenn man offen damit umgeht, dann sieht man auch, wie viele dann aus ihren Verstecken heraus kommen“, hat Maria S. erlebt. Viele schwiegen aus der Sorge vielleicht, auf Unverständnis zu treffen, wenn sie darüber sprechen. Auch, weil das Umfeld ja oft so hilflos ist: „Besser ist es, gar nichts zu sagen, als mit einer Floskel zu reagieren, die dann noch lange schmerzt“, rät Maria S.
Treffen jeden zweiten Mittwoch im Monat
Der Gesprächskreis „Wenn aus guter Hoffnung tiefe Trauer wird“, ein Angebot des Diakonischen Werks und des Ev. Kirchenkreises, trifft sich jeden zweiten Mittwoch im Monat, 19 - 20.30 Uhr, in der „Diakonie am Eck“, Kettwiger Straße 3. Man sitzt in überschaubarer Runde in einem gemütlichen Zimmer um einen Tisch. Man muss sich für die Gruppe, deren Teilnahme kostenlos ist, nicht anmelden. Man kann aber, wenn man möchte, vorher Kontakt aufnehmen mit der Sozialpädagogin Karin Jaesch-Kötter 3003 267 (jaesch-koetter@diakonie-muelheim.de), und einen Termin für ein Einzel- oder Paargespräch vereinbaren. Auch Pfarrerin Klaudia Schmalenbach, 3094640, klaudia.schmalenbach@evkmh.de, steht für die Kontaktaufnahme zur Verfügung. Im Gesprächskreis sind Mütter und Väter, als Paar oder einzeln, willkommen. Die Konfession spielt keine Rolle, auch nicht, zu welchem Zeitpunkt der Verlust geschah. Die Gruppe versteht sich als geschützter Raum, aus dem nichts Besprochenes nach außen dringen soll.