Mülheim. Eine Umfrage unter örtlichen Buchhändlern zeigt, dass das gedruckte Buch auch im digitalen Zeitalter ein vorweihnachtlicher Verkaufsschlager ist, weil es für viele Menschen sinnvoll und sinnlich ist
Was schenken Sie Ihren Lieben zu Weihnachten? Ein Buch? Wenn ja, dann liegen Sie voll im Trend. Denn das gute alte Buch in seiner klassisch gedruckten Form, ist immer noch ein Bestseller, wenn es um Weihnachtsgeschenke geht. Das bestätigen örtliche Buchhändler.
„Das ist schon enorm, was in diesen Tagen an Bücherstapeln über den Tisch geht“, sagt Michael Fehst von Buchhandlung am Löhberg. Seine Kollegin Gabriele Laucke von der Buchhandlung Röder an der Leineweberstraße schätzt, dass die Zahl der verkauften Bücher vor Weihnachten um bis zu 50 Prozent ansteigt. Und ihre Kollegin Birgitta Lange von der Saarner Buchhandlung Hiberath und Lange formuliert es so: „Obwohl der November und Dezember nur ein Sechstel des Jahres bildet, machen wir in diesen Monaten ein Viertel unseres Jahresumsatzes. Wo sonst vielleicht nur 100 Kunden am Tag kommen, sind es kurz vor Weihnachten auch schon mal 500 oder 600.“
Bestseller durch Mundpropaganda
Was fasziniert Menschen im digitalen Zeitalters am gedruckten Buch? „Es ist einfach schön anzusehen und man hat was in der Hand, das man mental auffressen und trotzdem weiter nutzen kann“, erklärt Fehst, warum der Trend zum Buch anhält. Und seine Kollegin Lange stellt fest: „Weil die Leute heute den ganzen Tag mit bewegten Bildern zu tun haben, ob im Fernsehen, an ihrem Computer oder auf ihrem Handy, sind sie froh, wenn sie mal ein gedrucktes Ding mit etwas Bleiwüste in die Hand nehmen können.“
Auch wenn mediale Buchbesprechungen und verlagsgesteuerte Werbekampagnen, „die einem“ (so Lange) „das Gefühl vermitteln, dass man ein bestimmtes Buch gelesen haben muss, wenn man noch zur menschlichen Gesellschaft gehören will“, den Buchverkauf ankurbeln, bestätigen die Buchhändler, dass sich viele Titel auch im medialen Windschatten durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder als Geheimtipp der Buchhändler zu Bestseller machen lassen. „Die Leute gehen nicht nur die Bestsellerlisten rauf und runter. Sie schauen sich Bücher an und machen sich Gedanken, welches Buch am besten zu dem Menschen passen könnte, den sie beschenken wollen,“ betont Petra Büse-Leringer von den Broicher Bücherträumen an der Prinzeß-Luise-Straße.
Lebenshilfe verkauft sich gut
Was überrascht, wenn man sich mit örtlichen Buchhändlern über ihre aktuellen Bestseller unterhält, ist deren Bandbreite. Da sind etwa die Kurzgeschichten der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro, wie „Zuviel Glück“ oder „Liebes Leben“ und der neueste Roman des skandinavischen Bestsellerautors Jonas Jonasson „Die Analphabetin, die rechnen konnte.“ Jonasson profitiert noch vom Vorruhm seines Romans „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand.“ Bei den Kunden kommt derzeit aber auch ein großformatiger Band mit bisher unveröffentlichten Karikaturen Loriots (Loriots Spätlese) gut an und ein ebenso großformatiges Fotobuch, das unter dem Titel „Maloche und Minirock“ in das Ruhrgebiet der 60er Jahre zurückschaut.
Sachbücher, wie Rüdiger Safranskis Goethe-Biografie „Kunstwerk des Lebens“ oder das von Christopher Clark geschriebene Geschichtsbuch „Die Schlafwandler“ finden ebenso viele Leser. Clark beleuchtet die Politik der europäischen Großmächte, die 1914 in den Ersten Weltkrieg führte. „Dieses Buch schildert geschichtliche Zusammenhänge spannend und jenseits üblicher Betrachtungsweisen, wenn es zeigt, wie sich die europäischen Regierungen 1914 von allen Seiten hochschaukeln ließen und am Ende in den Krieg zogen“, lobt Fehst. Dass sich Bücher nicht nur gut verkaufen, wenn sie bilden und unterhalten, sondern auch, wenn sie Lebenshilfe geben, erlebt Fehsts Kollegin Laucke mit Christine Westermanns Buch „Da geht noch was“, in dem sich die Journalistin autobiografisch mit dem Älterwerden auseinandersetzt.