Mülheim..

Seit zehn Jahren wohnt Anna Jungbluth (95) zur Miete am Steigerweg, aber obwohl die Straße angenehm und ruhig wirkt, fühlt sie sich dort immer weniger wohl.

Es liegt nicht allein am veralteten Zustand ihres 54-Quadratmeter-Zuhauses, dessen Nachtspeicherheizung kräftig aufs Konto drückt. Nein, was die alte Dame viel mehr stört: Sie ist oft ganz alleine im Vier-Parteien-Haus. Zwei Wohnungen stehen schon länger leer, der einzige verbliebene Nachbar musste jetzt ins Krankenhaus: „Im Moment habe ich Angst“, sagt Anna Jungbluth, „wenn mal irgendwas ist. . .“

Weitgehend Verlassen

Neun zweigeschossige Häuser erstrecken sich hier in einer Reihe. Sie gleichen sich in ihrer Bauweise, den grauen Fassaden, blätternden Fensterrahmen und heruntergelassenen Rollos. Sie wirken weitgehend verlassen, „viele Leute sind ausgezogen“, bestätigt Frau Jungbluth. Und Heijo Haastert, der seit drei Jahrzehnten gleich nebenan wohnt und vermietet, klagt: „Von 36 Wohnungen stehen bereits 17 leer und bilden einen Schandfleck für die übrigen Anwohner.“ Früher sei immer Leben in den Gärten gewesen, nun würden sie nicht mehr gepflegt.

Alle neun Häuser wurden 1953 errichtet und gehören inzwischen zum Bestand der Vivawest Wohnen GmbH, die 2012 an die Stelle der THS trat und in Mülheim nach eigenen Angaben über knapp 1400 Wohnungen verfügt. Zehn freie Einheiten weist die firmeneigene Homepage derzeit aus, am Steigerweg ist jedoch nichts dabei.

Objekte in Strategieprüfung

„Oft kommen hier Familien mit Kindern vorbei“, berichtet Heijo Haastert, „sehen die leeren Fenster und erkundigen sich nach den Wohnungen.“ Doch auf dem Markt seien diese nicht. Auf der anderen Straßenseite, ebenfalls unter dem Dach der Vivawest, sehe es anders aus, dort habe man modernisiert.

Die Häuser auf der gegenüberliegenden Seite, mit den ungeraden Nummern, hätten sie vor einigen Jahren um- und ausgebaut, bestätigt Dr. Marie Mense, Sprecherin der Vivawest. Damals seien die Mieter vorübergehend in Ersatzwohnungen gezogen. Die Häuser Nummer 2 bis 18 dagegen seien nicht modernisiert worden und würden momentan nicht neu vermietet, wenn jemand auszieht. „Die Objekte befinden sich zurzeit in der Strategieprüfung“, heißt es bei Vivawest. „Wir überlegen, wie genau wir mit den Immobilien künftig verfahren.“ Sprich: Ob sie stehen bleiben.

Voraussichtlich werde erst in der zweiten Jahreshälfte 2014 entschieden, wie es am Steigerweg weitergeht. Frau Jungbluth (95) muss sich also noch etwas gedulden.

Stadtweit rund 4930 leere Wohnungen

Seit 2006 hat die Stadt Mülheim drei Wohnungsleerstandsuntersuchungen durchgeführt: In Zusammenarbeit mit RWE werden dabei Stromzähler erhoben, die abgemeldet bzw. gesperrt sind oder nur minimalen Verbrauch anzeigen. Erfasst werden Wohnungen, die seit mindestens drei Monaten leer stehen.

Rund 4930 der insgesamt 92.665 Wohnungen im gesamten Stadtgebiet standen Anfang 2012 leer, das entspricht einer Quote von gut 5,3 %. Aktuellere Zahlen sind nicht verfügbar.

Nach Stadtteilen betrachtet liegt die Leerstandsquote zwischen rund 3,5 % in Menden-Holthausen und 7,2 % in Styrum. Besonders betroffen sind Sanierungsgebiete und Altbauten aus den 50er bis 70er Jahren.