Mülheim an der Ruhr. . Ende 2013 ist das Gotteshaus an der Walkmühlenstraße nach über 100 Jahren Geschichte. Religionslehrerin Hanne Rosenmüller bedauert, dass es kaum Protest gegen die Schließung gab. Und dass dem Stadtteil der Mittelpunkt abhanden kommt. Die Menschen verlören gewissermaßen ein Zuhause, so Rosenmüller.
Mit dem 1. Advent beginnt das Kirchenjahr. Für die Gläubigen ist es eine Zeit des freudigen Wartens auf die Ankunft von Jesus Christus. Im Rumbachtal ist die Freude in diesem Jahr verhalten. Es schwingt Wehmut mit, wenn die Menschen von Advent sprechen und von Weihnachten. Ganz bald haben sie keine Kirche mehr vor Ort. Die kleine Kapelle an der Walkmühlenstraße, die ihnen so lange ein Zuhause war, ist im neuen Jahr Geschichte. Am 31. Dezember, 18 Uhr, findet dort der allerletzte Gottesdienst statt.
Das betrübt auch Hanne Rosenmüller, einst Religions- und Englischlehrerin an der Luisenschule, und seit Mitte der 60er-Jahre aktives Mitglied der Gemeinde in Holthausen. Am Ewigkeitssonntag, an dem in dem Gotteshaus all jener Menschen gedacht wurde, die im vergangenen Jahr gestorben sind, gab sie der Trauer eine besondere Note: „Wir tragen dieses Jahr auch die Kapelle zu Grabe“, so Rosenmüller in einer kurzen Ansprache.
Ein Hinweis, der vielen Anwohnern aus der Seele sprach
Es war ein Hinweis, der vielen Anwohnern aus der Seele sprach. Gerade den älteren, „denn die haben künftig kaum noch Gelegenheit, in einen Gottesdienst zu kommen“, so die 80-Jährige. Wer nicht mehr Auto fahren könne oder mitgenommen werde, für den sehe es schlecht aus. Der Weg zur Petri- oder zur Pauluskirche sei weit und die Anbindung mit dem Bus nicht berauschend.
Mit Schließung der Kapelle verlören die Menschen im Rumbachtal ein Zuhause – „es fehlt im Leben ein Mittelpunkt“, bedauert Rosenmüller. Für den Zusammenhalt in dem Stadtteil sei das gewiss nicht günstig – und vor allem sei es traurig. Denn, was waren das früher für schöne Zeiten: Sie denkt gerne zurück an die Taufe ihrer Kinder in der „mit Liebe eingerichteten“ Kapelle oder an die Hochzeit einer Tochter dort.
„Bis heute haben wir einen tollen Kindergottesdienst“
Doch da sind nicht nur persönliche Erinnerungen: Es ist vor allem das einst so florierende Gemeindeleben, das sie vermissen wird: die anregenden Gottesdienste, die häufig mit fröhlichen Stunden auf der Wiese hinter dem Kirchlein endeten, die schöne Abendmusik, das breite Spektrum an Kursen, die angeboten wurden. „Bis heute haben wir einen tollen Kindergottesdienst.“ Rosenmüller mischte mit in der Gemeinde, übernahm Küster- und Lektorendienste. So wie andere Ehrenamtliche: „Es war ein Netzwerk, das funktionierte.“ Nun sei es zerschlagen. Und wahrscheinlich, so mutmaßt Rosenmüller, war der Zusammenschluss der Gemeinden zur Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde „der erste Todesstoß“. Seitdem nämlich habe es vor Ort kein Presbyterium mehr gegeben, keinen echten Fürsprecher.
Investor plant Wohnhaus
Die Kapelle an der Walkmühlenstraße hat eine lange Historie: Die Altstadtgemeinde erwarb das Grundstück 1908 für 3568 Mark und errichtete dort eine Filiale, um den Menschen im Rumbachtal ein Gotteshaus in der Nähe bieten zu können. 1910 wurde das Kirchlein eingeweiht.
Aus dieser Kapelle nun wird in Kürze ein Wohnhaus – wenn alles so läuft, wie von den Verantwortlichen angedacht. Pfarrer Justus Cohen, Vorsitzender des Presbyteriums der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde, berichtet von einem Investor, der drei Wohnungen errichten will und ein kleines Büro. Erklärtes Ziel sei es, „den besonderen Charakter des Hauses zu bewahren“, das unter anderem über Jugendstilelemente verfügt. „Auch die Glocke bleibt erhalten.“
Der Kaufvertrag sei unterzeichnet, doch in trockenen Tüchern sei die Sache damit noch nicht. Denn aktuelle Geschehnisse verzögern die Abwicklung: Teile des Rumbachtals könnten als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen werden (die WAZ berichtete) – und was das für ein Bauprojekt heißt, ist unklar. „Wir wissen also nicht, ob das, was wir unterschrieben haben, überhaupt etwas wird.“ Denn der Käufer, so Cohen, habe natürlich nur Interesse an dem Objekt, wenn es sich auch nutzen lasse.
Sie wisse natürlich, dass es der Kirche längst nicht mehr gut geht, dass ihr Gläubige fehlen, die Kassen leer sind. Und doch sei sie unglücklich, dass es nicht früher massiven Protest gegen die Schließung gegeben hat – „wir haben eine Chance vertan“. Denn es könne durchaus sein, „dass sich Kirche berappelt, es nicht immer nur bergab geht“. Eine letzte Hoffnung bleibt ihr: „Bei Gott sind alle Dinge möglich. . .“