Die Mülheimer Genossen haben mit dem Kommunal-Wahlkampf längst begonnen – in den eigenen Reihen allerdings. Ausgerechnet in dem Wahlkreis, wo seit Jahrzehnten unangefochten der Fraktionsvorsitzende Dieter Wiechering die Punkte für die Genossen einfährt, tritt jetzt Konkurrenz aus eigenen Reihen an: Heino Passmann (41) will sich dort für die Kommunalwahl aufstellen lassen – und auf diese Weise die Ära Wiechering (70) beenden, dessen Stellvertreter er in der Fraktion auch ist. Doch geschlagen gibt dieser sich nicht.

Wie Kai aus der Kiste sei Passmann bei der Vorstandssitzung des Ortsvereins Broich-Nord aufgestanden und habe seine Kandidatur angekündigt. „Es hat mich sehr überrascht, nachdem er kurz zuvor aus privaten Gründen seinen Abschied aus der Kommunalpolitik angekündigt hatte“, sagt ein aufgeschreckter Fraktionschef, der das auch bleiben möchte. Im Gespräch mit der WAZ erklärt Passmann, dass er in den vergangenen Tagen nach Gesprächen mit Familie und Arbeitgeber zu folgender Erkenntnis gekommen sei: Die nötige Zeit für Politik gibt es doch noch. Dass er die Hand zur Gegenkandidatur gehoben habe, „ist keineswegs eine Intrige“, eher sei es ein normaler politischer Vorgang. In Broich-Nord will er kandidieren, weil er dort lebe und den Menschen besonders nahe sei.

In der Partei glauben das längst nicht alle, zumal Passmann auch durchblicken lässt, dass er einen Wechsel in der Stadtpolitik für sinnvoll halte, zumal der künftige Rat, wie er vermutet, noch bunter werden dürfte. „Festgefahrene Strukturen helfen da kaum weiter“, sagt er und fügt hinzu: „Wer Fraktionschef im nächsten Jahr wird, ist völlig offen.“

Wer was ändern will, so Wiechering, müsse es auch offen sagen, und derjenige müsse sich auch im politischen Alltag profilieren. Gerade das vermisst er bei Passmann. Er habe auch gehört, dass Passmann mit ihm abrechnen wolle. Wie und warum – er wisse es nicht. Er kennt aber den Fall des Parteivorsitzenden Lothar Fink, der erst vor einigen Monaten per geheimer Abstimmung eine dicke Schlappe erlebte. Auch Fink rätselt warum. „Jetzt bin ich dran“, glaubt Wiechering und spürt, wie gegen ihn Stimmung gemacht werde. „Mir wird etwa mein Alter vorgehalten.“

Passmann spricht von deutlicher Zustimmung, die er erfahre. Wiechering äußert sich ähnlich, muss aber zum ersten Mal in seiner politischen Laufbahn für sich werben.

Zur Information

Wer macht das Rennen? Auf wen einigt sich der SPD-Ortsverein Broich bei der Mitgliederversammlung am 16. Dezember? Beide Kandidaten werben.

Das letzte Wort darüber, wer bei der Kommunalwahl im Mai in den einzelnen Wahlkreisen antritt, hat ein besonderer Unterbezirksparteitag im Februar. Das Votum des Ortsvereins genießt jedoch in der Regel einen hohen Stellenwert. Passmann will bei einer Niederlage im Ortsverein sich auf dem Parteitag nicht noch einmal stellen, Wiechering will sich das zumindest überlegen.