Mülheim/Duisburg. . Geschäftsmann und Gemeindevorstand: Patrick Marx gehören drei Apotheken, zwei Drittel seines Berufslebens engagiert er sich jedoch als Vorstand für die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen. So blickt er auf Mülheims Innenstadt, aber auch auf Flüchtlingsdramen.

„Zuerst möchte ich über die zunehmende Ausländerfeindlichkeit reden, das ist mir am wichtigsten“, beginnt Patrick Marx das Gespräch. In der jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen, die um die 2700 Mitglieder zählt, davon etwa 1000 Mülheimer, engagiert sich Marx als Vorstand umfassend. „Ich verbringe derzeit zwei Drittel meiner Berufstätigkeit damit.“

Die Flüchtlingskatastrophen vor Lampedusa und die vielfach abwehrende Haltung gegenüber Asylbewerbern findet der 43-Jährige unerträglich. „Ich wünsche mir, dass sich Kirchen, Schulen und andere Institutionen zusammentun und sich für die Menschen engagieren, die zu uns flüchten.“ Deutschland, auch Mülheim, habe genug Platz für Flüchtlinge. „Schließlich hat unsere Stadt 2000 Einwohner verloren.“

Appell des Apothekers: Kauft in der Innenstadt!

Patrick Marx ist seit 2000 auch Unternehmer: Der Inhaber von drei Apotheken übernahm die Schloß Apotheke von seinem Vater Jacques Marx, der sie 25 Jahre lang geführt hatte. Als Filialen kamen die Barbara Apotheke an der Aktienstraße und die Apotheke am Kirchplatz Auf dem Bruch dazu. Er selbst führt die traditionelle Schloß Apotheke, die weitaus größte im Trio. „Wir gehen mit der Zeit, haben mehrmals modernisiert und Personal ausgebaut.“

Noch Platz für neue Gräber auf Jüdischem Friedhof

Der Jüdische Friedhof an der Gracht, mitten im Wohngebiet liegend, ist ein lebendiges Denkmal der jüdischen Sterbe- und Grabkultur. Das Areal ist symmetrisch gegliedert, hohe alte Bäume verleihen dem Friedhof die Atmosphäre eines kleinen Parks. Zentral liegen die schlichte Trauerhalle aus Backstein und das Denkmal für die Opfer des Holocaust. Bis zur Mitte der 1930-er Jahre wurden hier Tote bestattet, dann wieder ab Mitte der 1950-er Jahre. Auf dem neuen Gräberfeld sind viele russische Namen zu lesen. Etwa ein Viertel der Gesamtfläche bietet noch Platz für neue Gräber.

Der nicht städtische Friedhof ist öffentlich zugänglich, Führungen bieten die Jüdische Gemeinde und die Stadt Mülheim (MST) an.

Selbstverständlich liegt Patrick Marx die Zukunft der Innenstadt am Herzen, wobei seine eigene Kundschaft stetig wächst: „Rundherum wohnen immer mehr Menschen und mehr Ärzte lassen sich dort nieder. Ich kann nicht klagen!“ Sein Appell an die Mülheimer ist nicht neu, aber Marx hält ihn für das Patentrezept. „Der erste Schritt ist: Kauft in der Innenstadt. Nur dann wird es für Händler attraktiv, sich dort anzusiedeln.“ Marx ist Beirat im Vorstand der Werbegemeinschaft Innenstadt, engagiert sich aber dort in Maßen. „Alles schaffe ich nicht. Wichtig finde ich, dass sich Händler, Eigentümer und sonstige Aktive der WGI angliedern, um die Innenstadt voranzubringen.“

„Wir versuchen, einige jüdische Traditionen aufrecht zu erhalten“

Außer Geschäftsmann und Gemeindevorstand ist Patrick Marx, der in Holthausen lebt, auch Familienvater. Seine Frau Nicole Marx, Diplom-Pädagogin und Sprachheiltherapeutin, hat 2012 in Essen-Rüttenscheid „Marx und Moritz“ eröffnet. Die Kinder sind 14 und 12 Jahre alt und besuchen ein Mülheimer Gymnasium. Alle vier sind Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, die Kinder erhalten dort Religionsunterricht. „Wir versuchen, einige jüdische Traditionen aufrecht zu erhalten“, erzählt Patrick Marx, „zum Beispiel freitagsabends mit der Familie zusammenzusitzen. Die Jüdische Religion spielt sich vor allem in den Familien ab.“ Ansonsten habe der jüdische Glaube aber keinen Einfluss auf ihre Alltagsgestaltung. „Wir sind genauso säkularisiert wie die meisten Mitglieder anderer Religionen und ernähren uns auch nicht anders.“

Patrick Marx hofft, dass sich der Umgang zwischen Juden, Christen, Moslems und Atheisten im positiven Sinne normalisiert. „Es sollte egal sein, woran die Nachbarn glauben. Aber das wird noch dauern. Wir Juden möchten nicht mehr darauf reduziert werden, dass Jude gleich Holocaust und Jude gleich Israel ist. Wir sind eine neue Generation. Jetzt ist anders!“

Baumängel an Duisburger Synagoge, Friedhof-Sanierung an der Gracht

Die Gemeinde hat ein großes Bauprojekt in Duisburg vor sich und ein kleineres in Mülheim. Die Synagoge am Duisburger Innenhafen, 1999 eröffnet, weist erhebliche Baumängel auf. Den Plan, das Gebäude zu verkaufen, gab die Gemeinde inzwischen auf und entschloss sich zur Sanierung, die laut Marx etwa drei Monate dauern wird. Zuvor hatte die Gemeinde ihren Sitz fast 40 Jahre lang in der Mülheimer Kampstraße.

Das zweite Bauvorhaben betrifft die Sanierung des Jüdischen Friedhofs an der Gracht, auf dem die Gemeindemitglieder aus den drei Städten bestattet werden. „Der in der Mitte des 18. Jahrhunderts angelegte Friedhof ist sehr schön und einer der wenigen, die nach dem Holocaust noch aktiv betrieben werden“, erzählt Patrick Marx. „Im Unterschied zu den Christen legen wir unsere Gräber für die Ewigkeit an und der Platz ist deshalb endlich. Wir werden Doppelgräber künftig übereinander anordnen, so wird der Platz noch 15 bis 20 Jahre reichen.“

Zur Erhaltung des Friedhofs, dessen knapp 100 Jahre alte Trauerhalle unter Denkmalschutz steht, müsse man jetzt Geld in die Hand nehmen. Im Vergleich zum Duisburger Vorhaben ist das mit 60.000 Euro Kosten überschaubar. Aber diese Summe muss die Gemeinde alleine aufbringen, und so hofft der Vorstand auch hier auf Spenden, gerne dürfen es Sachspenden von Mülheimer Unternehmern und Bürgern sein. Der Bauantrag ist abgegeben und die Sanierung soll noch vor dem Winter beginnen.