Die alten Versicherungskarten verlieren bereits Ende des Jahres ihre Gültigkeit. Wer 2014 keine hat, muss die Arztrechnung selbst bezahlen
Wer bisher noch keine elektronische Gesundheitskarte beantragt hat, bekam in diesen Tagen von seiner Krankenversicherung Post. Und wer sich bislang in dem Wissen, dass seine alte Karte noch einige Jahre gültig sein werde, entspannt zurücklehnte, staunte nicht schlecht. Denn die alte Karte, so geht es aus dem Schreiben hervor, verliert zum Jahresende ihre Gültigkeit - unabhängig vom genannten Verfallsdatum. Darauf hatten sich zuvor der Spitzenverband der Krankenkassen und die kassenärztliche Bundesvereinigung geeinigt. Wer bislang noch keine Karte beantragt hat, sollte sich sputen, ansonsten könnte es bei einer Behandlung im kommenden Jahr teuer werden. Bei der AOK sind es derzeit etwa fünf Prozent der Versicherten, die noch nicht über eine elektronische Karte verfügen, wie Regionaldirektor Roland Angenvoort erklärt. Also etwa 1900 der 38 000 Versicherten. Norbert Misiak von der Barmer Gek kann die Anzahl für Mülheim noch nicht beziffern. Bundesweit seien es zumindest vor der letzten Rundbriefaktion noch beträchtlich mehr gewesen. Ihren Kunden möchte es die AOK so leicht wie möglich machen, an eine Karte zu gelangen: Sie bietet in der Geschäftsstelle an der Friedrich-Ebert-Straße einen Automaten an, in dem sich Versicherte kostenfrei fotografieren lassen können.
Von den meisten, die nach zahlreichen Erinnerungsschreiben und Informationen noch keine Karte besitzen, ist allerdings anzunehmen, dass sie auch keine wollen, weil sie diesen ersten Schritt zum gläsernen Patienten ablehnen. Dabei ändert sich erst einmal faktisch nichts. Im Namen wird statt der Krankheit die Gesundheit betont und auf der Karte prangt ein Foto, das noch nicht einmal überprüft worden ist. Dabei sollte die Karte, die vor zehn Jahren im rot-grünen Schröder-Kabinett von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt angekündigt wurde, ein Zugangsschlüssel zu elektronischen Patientenakten und Arztbriefen mit Krankengeschichte, Rezeptplänen und Röntgenbildern sein. Das Ziel: Doppeluntersuchungen auszuschließen und das System günstiger zu machen.
Uwe Brock, der lokale Vertreter der Ärztekammer, spricht dagegen von einem „Milliardengrab“. Die Praxen mussten mit neuen Lesegeräten ausgestattet werden und das Ergebnis ist nichts weiter als ein Papiertiger. Die ergänzenden Funktionen, die mittel- und langfristig immer noch möglich sind, denen der Patient aber ausdrücklich zustimmen muss, hält er aus Datenschutzgründen für höchst problematisch. Wie sicher Daten sind, habe erst der Skandal um den amerikanischen Auslandsgeheimdienst NSA ja deutlich gemacht. Patient und Arzt hätten aber ein besonderes Vertrauensverhältnis und die Krankendaten würden einen besondere Schutz verdienen, die online nicht sichergestellt werden könnten. Dass man Missbrauch mit einem Foto ausschließen müsse, glaubt Brock nicht, da ohnehin jeder versichert sei.
Und wer partout keine Karte haben will? Der muss schlimmstenfalls die Arztrechnung selbst bezahlen. So steht es auch auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums. „Obwohl er versichert ist?“ Brock ist skeptisch. Er sieht erhöhten Bearbeitungsaufwand voraus. „Der Arzt ist berechtigt, nach zehn Tagen eine Privatrechnung auszustellen, die von den Kassen nicht erstattet werden darf“, sagt Angenvoort. Ein Ausweg wäre, die Kasse um einen Abrechnungsschein zu bitten. Wird dieser bis zum Quartalsende vorgelegt, kann der Mediziner den Betrag erstatten. So eine mühsame Regelung sei aber nur eine Ausnahme. Um das für alle Seiten unangenehme Prozedere zu ersparen, sollten die Versicherten lieber eine Karte beantragen. Über weitere Sonderfunktionen, müsse der Versicherte später entscheiden, versichert der Mann von der AOK.