Ein Ehepaar steht am Rand der Emmericher Straße und beobachtet die Helfer. Auf der Straße verteilt stehen 15 verbeulte Unfallwagen und ein Linienbus. „Der Verletzte dort im grünen Kleinwagen ist unser Sohn“, sagt Gabi Stamm und zeigt auf einen um Hilfe rufenden Jugendlichen in einem der Fahrzeuge.

Die Eltern wollen sich die schauspielerische Leistung ihres Sohnes ansehen, der für diesen Testeinsatz der Feuerwehr zum Unfallopfer wird. Die jungen Laiendarsteller sind Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter oder der Jugendfeuerwehr. Um ein Maximum an Realismus zu erreichen, wurden ihnen Wunden geschminkt und mit Kunstblut verfeinert. „Wir wollen, dass die Testsituation so realistisch ist, wie möglich“, erklärt Feuerwehrmann Thorsten Drewes.

Übungsgrund für das Szenario ist ein neues MANV-Konzept, das entworfen wurde. Die „Massenanfall von Verletzten“-Einsätze werden in drei Kategorien unterteilt: 10, 25 oder 50. Die Ziffer steht für die Zahl der potenziellen Verletzten vor Ort. Dreieinhalb Monate Vorbereitung beanspruchte der Großeinsatz-Test, der Malteser Hilfsdienst, das THW und die Notfallseelsorge sind ebenfalls tatkräftig vor Ort. Die Polizei überwacht die Übung, ein Hubschrauber steht über dem Szenario.

„Es geht bei diesem neuen Konzept vor allem um eine strukturierte Bewältigung des Problems. Die Einsatzkräfte sollen die Situation richtig einschätzen, die Opfer überprüfen, registrieren, ihren Verletzungsgrad klassifizieren und die Geschehnisse dokumentieren,“ erörtert Thorsten Drewes als Sprecher der Feuerwehr den Hauptzweck der Übung. Auch auf das Zusammenspiel der Helfer ist das Augenmerk der zahlreichen professionellen Beobachter gerichtet. Mutter Gabi Stamm ist sich zwar sicher: „Den Helfern bringt diese Übung viel Erfahrung und Routine. Sie bemerkt aber auch, dass dem Testeinsatz „der Überraschungsfaktor fehlt“.

Nicht nur für die Mülheimer Feuerwehr, sondern auch für Christ Neundorf ist eine Übung in dieser Größe im öffentlichen Raum ein Novum. Dennoch konnte sich der Oberbrandmeister in dem Irrgarten aus Blech und Menschen gut zurechtfinden, der sich den Ersthelfern beim Eintreffen am Unfallort darbietet: „Die Situation ist beim Eintreffen zwar schwierig zu durchschauen, aber genau so habe ich es mir im Vorfeld vorgestellt. Es ist gut, den Druck zu spüren und sich strukturiert voran zu arbeiten.“

Nach etwa 80 Minuten ist der Pseudounfall bewältigt, alle „Opfer“ sind versorgt und auf dem Weg in die Krankenhäuser, die auch wirklich angefahren werden. Nicht nur für Thorsten Drewes ein relevanter Aspekt: „Um die Verletzten adäquat zu versorgen, müssen wir wissen, für wie viele Opfer die Kliniken Aufnahmekapazitäten haben.“