Das für Ennepetal erfolgreiche Urteil in Sachen Zinswetten löst in der Mülheimer Kommunalpolitik Reaktionen aus. Die Grünen sehen in der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes ein „starkes Indiz“, dass auch für Mülheim der Klageweg sinnvoll sei. „Entscheidend ist“, erklärt ihre Finanzexpertin Annette Lostermann-De Nil, „dass es sich um ein zweitinstanzliches Urteil handelt. Weitere Revisionen sind ausgeschlossen.“ Und: Falschberatung wie in Ennepetal sei auch in Mülheim Gegenstand der Erwägungen.
Die Stadtverwaltung sei nun aufgerufen, sich zur Entscheidung des Oberlandesgerichtes und weiterer Schritte der Stadt zu erklären. „In der Sitzung des Finanzausschusses am 4. November“, so Lostermann-De Nil, „erwarten wir eine abschließende Darstellung der Faktenlage. Danach wird der Ausschuss endgültig befinden. Die Zeit für eine Klage läuft uns davon. Angesichts der Summen, um die es geht, darf es keine Versäumnisse geben.“
Die Stadt Ennepetal hatte vom Oberlandesgericht wie berichtet fast neun Millionen Euro zugesprochen bekommen; Verluste und Zinszahlungen aus vier Wetten der Stadt mit der West LB. Das Gericht urteilte (analog zu einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011), dass die heute in Abwicklung befindliche Landesbank seinerzeit ihre Beratungspflichten rechtswidrig verletzt habe. Die West LB hatte nicht darüber aufgeklärt, dass in die Wettgeschäfte eine Gewinnmarge für die Bank eingepreist war. Wer über diesen „anfänglich negativen Marktwert“ und den eigenen Interessenkonflikt nicht aufkläre, so das Gericht, sei schadenersatzpflichtig.
Die Stadt Mülheim hat aus Zinswetten, beginnend seit 2003, ebenfalls mittlerweile Verluste von rund zehn Millionen Euro. Auch in Mülheim war die West LB Partner und auch für Mülheim bescheinigt ein Gutachten, dass die Bank ihre eigene Gewinnmarge verschwiegen hat.
Dennoch gehen die Meinungen über eine Klage und ihre Erfolgsaussichten noch auseinander. Zu bedenken ist erstens, dass die Mülheimer Wetten viel einfacherer Natur waren als die jene, die der BGH abgeurteilt hat. Mülheim hatte 2003 alles Geld, etwa 170 Millionen Euro, schlicht auf eine Wettart gesetzt - gegen einen Referenzzins. Zweitens ist ein Klageverfahren auf jeden Fall teuer, im Ergebnis aber keineswegs sicher. Und drittens ist die Stadt Mülheim mehrfach gewarnt und um „Begrenzung ihres Risikos“ gebeten worden. Der Absender der Schreiben, so berichtete es die NRZ schon 2008, war: die West LB.