Die Gründung der Hochschule Ruhr West im Jahr 2009 war an die Erwartung vieler verknüpft, junge Leute in der Stadt zu halten und herzuziehen. Mülheims Entwicklung zur „typischen Studentenstadt“ ist aber noch in den Anfängen: zum Wohnen und Ausgehen weichen viele auf Nachbarstädte aus. Da fällt es dem AStA nicht leicht, den Studierenden die Stadt näher zu bringen.

Viele der Studenten pendeln beispielsweise aus Essen oder Duisburg, sagt Robert Frambach, stellvertretender Vorsitzender des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA). Wie viele, darüber wurde bisher keine Erhebung gemacht. Und diejenigen, die hergezogen sind, bilden Wohngemeinschaften, wohnen alleine oder in Studentenwohnheimen - aber nicht unbedingt in der Stadt.

Mülheim fehlt es an Möglichkeiten, so Frambach: Die Party für Erstsemester wird vermutlich in der Mensa an der Dümptener Straße stattfinden. „Die“ Anlaufstelle für junge Leute - das Kaiser Eck - ist geschlossen. Neben dem Wasserbahnhof und dem Leonardo (früher Solo) bleiben die kleinen, urigen Kneipen unentdeckt. Die vom AStA organisierte Kneipentour durch die unbekannteren Nebenstraßen in der Stadtmitte letztes Semester war ein Erfolg. Ansonsten findet man hier selten jüngere Gesichter.

Vier Studenten der HRW erzählen über ihr Leben :

Jochen Voß wollte Maschinenbau studieren. Und möglichst ausziehen. Und da sich die HRW als erste gemeldet hatte, verschlug es den 20-Jährigen vergangenes Jahr nach seinem Abi von Gescher im Münsterland nach Mülheim. Obwohl er zuvor kaum etwas über Stadt und Hochschule gehört hatte. Ein Bekannter von der Uni Bochum hatte die neue Hochschule empfohlen. Hinzu kommt, dass er in NRW keine Studiengebühren zahlen muss. Und, hier hat er ein Studententicket - alsbald gilt es für ganz NRW. Dann kommt er damit bis nach Hause.

Über eine Stunde pendeln wollte Jochen nicht täglich auf sich nehmen und wurde bei seiner Wohnungssuche schnell in Broich fündig. „Ich hatte echt Glück.“ Weniger, als er wenig später mit einem Freund nach einer Wohngemeinschaft-tauglichen Wohnung Ausschau hielt: alleine wohnen stellte sich als günstiger raus.

Auch Thilo Grasshoff ist für sein Studium hergezogen, aus Höxter. Der 26-Jährige studiert Internationale Wirtschaft - Emerging Markets, zum Wohnen gefällt es ihm sehr gut: bald wird er in eine Wohngemeinschaft in die Stadtmitte umziehen, die er über das Internet gefunden hat.

Zurück in den Ruhrpott: Angela Beuer, ebenfalls Studentin der Internationalen Wirtschaft - Emerging Markets zog wieder in ihr Elternhaus, nachdem sie für ihre Ausbildung in Hamburg aus Oberhausen weggegangen ist. Sie studiert hier seit zwei Jahren und hat die Erfahrung gemacht, dass anfangs viele Kommilitonen gependelt sind, inzwischen sei ein Großteil ihres Freundeskreisen aber nach Mülheim gezogen.

Zum Ausgehen geht es aber dann doch häufig nach auswärts: „Man muss immer gezielt schauen, wenn man ausgehen will“, sagt Jochen Voß. Die Ausgehtipps seitens der Hochschule fallen eher mäßig aus: „Neben dem Wasserbahnhof und zwei weiteren Kneipen war’s dann auch schon.“ Gerne lädt er seine Leute auch ein, dann sitzen sie mit ein paar Bierchen bei ihm auf seinem Balkon. „Wenn wir aber ausgehen wollen, setzen wir uns in die Bahn und sind weg.“

„Richtig feiern“ geht auch Angela lieber in anderen Städten. Wenn aber eine Feier an der Hochschule ist, dann sind sie und ihre Leute auch dabei. Die 24-Jährige ist Mitglied im AStA, sie organisieren Bootspartys, Weihnachtsfeiern, Grillen im Sommer. „Wir stellen uns nicht die Frage, ob das Studentenleben hier gut ist, wir organisieren uns das selber.“ Und wo es dann hingeht, ist eigentlich egal: „Ich sehe das Ruhrgebiet als Ganzes, nicht nur Mülheim. Wo ich Kaffeetrinken gehe ist doch egal, ob hier oder fünf Minuten weiter mit der S-Bahn in Duisburg.“

Thilo bezeichnet die Stadt als „ruhigen Punkt mittendrin.“ Dadurch, dass so viele Universitäten in den Nachbarstädten liegen, seien auch viele Freunde in der Umgebung, die man auf Partys begleiten könne..

Das sieht auch Marcel Höfmann so. Der 25-Jährige wohnt schon immer in Mülheim und viele seiner Freunde studieren in der Region. Über die Hochschule hatte er vor seiner Einschreibung schon viel Gutes von Bekannten gehört und dass sie so neu ist, überzeugt ihn auch heute noch: Zu den Professoren habe man einen persönlichen Bezug, der Standort sei für ihn gut zu erreichen. Außerdem habe er seine Nebenjobs hier in der Stadt an der Ruhr, Nicht unwichtig für die Finanzierung des Studentenlebens.

Die kürzlich veröffentlichte Sozialerhebung des deutschen Studentenwerks besagt, dass ein Durchschnittsstudent über 864 Euro im Monat verfügt. „Die 800 Euro habe ich nicht, brauche ich aber auch nicht“, so Jochen. Mit Hilfe von BAföG kann er sich sein Leben in Mülheim gut leisten. Und ab dem kommenden Semester wird er eine Stelle als studentische Hilfskraft bei einem Professor anfangen.

„Da die Hochschule so neu ist, werden viele studentische Hilfskräfte gesucht“, sagt Robert Frambach vom AStA. Und auch Angela arbeitet an der HRW als Teilzeitmitarbeiterin im International Office.

So fällt die Bilanz insgesamt positiv aus: Ruhig und dennoch mittendrin - die Befragten sind sich einig, dass es sich hier schön wohnen lässt, beim Ausgehen richtet man sich hingegen danach, in welcher Stadt gerade etwas los ist. Was das „typische Studentenleben“ betrifft, setzen sie alle auf den neuen Standort, der voraussichtlich Ende 2014 bezogen wird: einen Studententreff, weniger Kommilitonen, die abends raus fahren. „Momentan gibt es kein normales Campusleben“, sagt Frambach. Auf dem neuen Gelände werden alle Studenten zusammen sein, Angela: „Dann entwickelt sich das Studentenleben weiter.“