Mülheim. . Jubel, Enttäuschung, Trauer - das so mit Spannung erwartete Verkünden der Ergebnisse der Bundestagswahl wurde für die Mülheimer Parteien zum Wechselbad der Gefühle. Die SPD hat deutlich mehr erwartet, die Mitglieder der FDP ringen mit der Fassung.

Nur ein paar Bürger hatten sich im historischen Rathaus versammelt, um im Foyer die Wahl lokal und bundesweit zu verfolgen. Die Parteien hatten sich in verschiedenen Räumen des Rathauses verteilt – ein Stimmungsbericht.

Die Grünen

Franziska Krumwiede, die Kreisvorstandsvorsitzende, telefoniert aufgeregt mit ihrer Schwester, die bei dem katastrophalen Ergebnis nicht mehr in den Bundestag kommt. „Hart nach vier Jahren“, sagt Krumwiede und führt das desolate Abschneiden vor allem darauf zurück, dass urgrüne Themen nicht im Vordergrund standen, dass die Pädophilie-Debatte der Partei massiv zugesetzt hat.

Auch Medienschelte gibt es. Tim Giesbert, Bundestagskandidat der Grünen, führt zudem den Veggie-Day an und hält den Neuanfang mit der Rückkehr zu grünen Kernthemen wie Umwelt und Energie für dringend. Falsche Kommunikation in Sachen Steuern macht er auch aus: „Wir sind nicht verstanden worden.“

Die SPD

Die Genossen haben sich abseits im Büro des Sozialdezernenten niedergelassen. Bei Lakritz und Weingummi, das den Abend auch nicht versüßen kann, herrscht Schweigen, als die Bundeszahlen über den Schirm laufen. Sie haben deutlich mehr erwartet. Wieder einmal scheitert ihr Spitzenmann in Berlin. „Wir haben unsere Wähler nicht bewegt“, sagt der ausscheidende Abgeordnete Anton Schaaf. Unten im Foyer macht Bürgermeisterin Renate aus der Beek keinen Hehl daraus: „Ich würde mich freuen, wenn für die SPD beim nächsten Mal eine dynamische Frau ins Rennen geht.“ Das zweitschlechteste Ergebnis aller Zeiten stellt der stellvertretende Parteivorsitzende Constantin Körner fest: „Da kann man nur enttäuscht sein.“ Gründe? „Eine zupackende Art, ein polarisierendes Auftreten, ein klares Wahlprogramm – die meisten Bürger honorierten es nicht.“

Die FDP

„Das war’s dann wohl“, meint ein FDP-Mitstreiter. Ulrike Flach ringt um Fassung, als sie sagt: „Das ist kein schöner Schlusspunkt für mich.“ Als der erste Mülheimer Wahlbezirk auf der Video-Wand einläuft, steht die Direktkandidatin Susanne Rittershaus erstarrt davor: 2,35 % Erststimmen und 2,01 % Zweitstimmen. Viel mehr wird der Abend auch nicht mehr bringen. Vor dem Hintergrund, dass Mülheim eine FDP-Hochburg ist, und bei der Bundestagswahl 2009 satte 14,3 % heraussprangen, wünschte sich Rittershaus diesmal so um die 8 %“. Kreisvorsitzender Christian Mangen zeigt sich angekratzt und genervt: „Da gibt es nichts schön zu reden. Das ist eine bittere Stunde.“. Er sei tief enttäuscht, zumal „die Stimmung bei den Wahl-Ständen deutlich besser gewesen ist“. Man habe einen engagierten Wahlkampf und Direktkandidatin Rittershaus habe einen guten Job gemacht.

Die CDU

Staunend, fast ungläubig verfolgen die Christdemokraten die erste Prognose um Punkt 18 Uhr. „Das wird ein langer Abend“, sagt Vorstandsmitglied Heiko Hendriks. Er wird Recht behalten. In und vor der CDU-Geschäftsstelle an der Bahnstraße wird später ausgelassen der eigene Erfolg gefeiert. Einer freut sich besonders: der Parteivorsitzende Andreas Schmidt. Er hatte die Marlerin Astrid-Timmermann-Fechter als Direktkandidatin ins Spiel gebracht. „Ich bin sehr zufrieden damit, auch ein bisschen stolz, dass ich den Vorschlag gemacht habe.“ Die Kandidatin habe einen äußerst engagierten, bürgernahen Wahlkampf geführt. Und dann möglicherweise gar eine absolute Mehrheit in Berlin? In Mülheims CDU-Zentrale meinten sie gestern schon die Formel dafür zu kennen: „300 Abgeordnete + Astrid!“