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ie Wahlurne steht auf dem Tisch, schräg davor der Platz, wo der Wähler sein Kreuzchen machen kann. Natürlich ist er dabei von einem Sichtschutz umgeben. Und auch der Wahlzettel sieht genauso aus wie am kommenden Wahlsonntag. Der einzige Unterschied zu anderen Wahllokalen: Im Jugendzentrum „Together“ haben Kinder und Jugendliche ein Stimmrecht. Und zwar ausschließlich sie.
Die U-18-Wahl wird im ganzen Land von der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert. Vor Ort in Mülheim sind die Organisatoren der Ring politischer Jugend (RPJ), in dem die politischen Jugendorganisatoren, zusammengeschlossen sind, und: der Jugendstadtrat. Für ihn sitzt Simon Löwenberg im Wahlvorstand. Muss er nicht skeptisch sein, was den Erfolg der Aktion angeht? Schließlich musste schon eine Wahl zum Jugendstadtrat ausfallen, weil die Beteiligung zu gering war. Aber der 17-jährige Löwenberg ist überzeugt: Es gibt kein Desinteresse. Das Problem bei diesen Wahlen war: Der Jugendstadtrat hat zu wenig Werbung gemacht. Die Schüler wussten gar nichts von dem Termin. Politik bei mir und meinen Freunden ist schon ein Thema.
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s ist zwei Uhr mittags - und bisher scheint sich der Optimismus Löwenbergs tatsächlich einzulösen. Als um zwölf Uhr das Wahllokal öffnete, stand schon ein achtjähriges Mädchen vor der Tür. Und kurz danach kam eine ganze Schulklasse. Jetzt ist die Taktung schon etwas geringer, aber regelmäßig kommen auch jetzt noch Jung-Wähler in das Jugendzentrum. Auffällig überwiegen bisher eindeutig die ganz Jungen, einige werden auch von den Eltern begleitet. Ich hab versprochen: Wenn sie wählen, gehen wir gleich zu Mac Donalds“, erzählt ein Vater, während seine Töchter gerade ihre Stimmzettel einwerfen.
Staatsbürgerkunde der etwas anderen Art - oder unzulässige Beeinflussung? Und überhaupt: Haben so junge Menschen eigentlich schon eine eigene politische Meinung oder werden sie nicht von Älteren beeinflusst?
Gerade hat Anastasia Bakum ihr Kreuzchen gemacht. Der Bruder der 14-Jährigen, Rodion Bakum, ist bei den Jusos aktiv, heute sitzt er für den RPJ mit im Wahlvorstand. Hat er sie beeinflusst? Klar, so gibt die Achtklässlerin gerne zu, habe ihr Bruder sie auf den Termin aufmerksam gemacht. Auch macht sie keinen Hehl daraus, für die Partei ihres Bruders, also die SPD, gestimmt zu haben. Die Entscheidung habe sie aber schon selbst gefällt - und sie hat auch ihre eigenen Themen-Schwerpunkte: Umweltpolitik zum Beispiel. „Ich bin auch Mitglied beim WWF. Bei uns in der Familie wird aber allgemein viel über Politik gesprochen. Und deswegen interessiere ich mich auch schon länger dafür. Vielen meiner Mitschülern ist die Wahl jetzt egal. Und es haben auch manche Eltern gesagt, es würde nichts bringen bei dieser Wahl mitzumachen. Weil die Stimmen ja nicht wirklich gezählt werden. Ich finde es aber schon wichtig, diese Möglichkeit zu nutzen. Ich zeige dadurch, dass ich mich interessiere und mir unsere Demokratie nicht egal ist.
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uch Simon Löwenberg findet es nicht bedenklich, dass junge Wähler durch andere in ihrer politischen Grundhaltung beeinflusst werden. Das ist ja bei den Über-18-Jährigen nicht anders.
Simon, der die 12. Klasse der Gustav-Heinemann-Schule besucht, findet es jedenfalls besser, wenn Zuhause über Politik gesprochen wird, als wenn solche Themen überhaupt keine Rolle spielen würden. Bei uns gab es immer solche Gespräche. Das ist ganz selbstverständlich. Allerdings haben meine Eltern immer Wert darauf gelegt, dass ich eine eigene Meinung entwickele und nicht automatisch ihre übernehme, berichtet der 17-Jährige. Und innerhalb seiner Familie gibt es durchaus Brüche. Löwenberg gehört noch keiner Partei an, und er weiß auch noch nicht, ob dies in nächster Zeit eine Option für ihn ist. Aber er versteht sich schon als eher links. Mein Großvater zum Beispiel war CDU-Ministerialdirigent in Niedersachsen, erzählt er lächelnd. Es gäbe also keinen Automatismus.
Das Elternhaus bestimmt vielleicht weniger die direkte Parteibindung, sondern eher, ob man sich überhaupt für politische Fragen interessiert oder nicht. Und wenn dieses Interesse da ist, dann macht es sich vor allem an Sachfragen fest. Ich weiß von meinen Mitschülern, dass sie vor allem an sozialen Fragen interessiert sind. Der Mindestlohn ist für viele ein Thema. Ich habe bis jetzt noch keinen gesprochen, der dagegen ist. Aber auch die Gleichberechtigung Homosexueller ist für viele wichtig. Aber andere Fragen, wie die Autobahn-Maut, für die interessiert sich niemand.
J
eder habe eben seine Schwerpunkt-Themen. Und Löwenbergs Eindruck ist, dass seine Altersgenossen durchaus an Inhalten interessiert sind und nicht nur alles an Personen festmachen. Und das sind nicht nur sogenannte Jugend-Themen. Sondern mein Interesse geht durch alle Politikbereiche. Das ist natürlich subjektiv. Aber so solle es ja eben auch bei freien Wahlen sein.
Von Forderungen nach einem Wahlführerschein etwa hält er nichts. Das Wahlrecht dürfe nicht an bestimmte Kriterien gebunden sein. Und wieso überhaupt würde über sowas immer nur im Hinblick auf Jung-Wähler gesprochen. Seien die Älteren wirklich reifer? Berechenbar sind jedenfalls auch die Jungen: Ich gehe bei dem Ergebnis von keinen Überraschungen aus. Das wird ähnlich ausfallen, wie auch am 22. September, so Löwenbergs Prognose.