Die Saarner Kindertagesstätte Kichererbsen in Saarn feiert heute ihren 30. Geburtstag: Erzieherinnen sprechen darüber, warum es nicht nur finanziell schwer ist, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren

Deutschland klagt über Kindermangel. Aber Kinder und Karriere sind in unserem Land kaum unter einen Hut zu bringen. Dieses Ergebnis einer Langzeitstudie des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (die NRZ berichtete) können Gisa Celler (58), Marjorie van den Boomen (39) und Dzenita Alagic (26) aus eigener Anschauung bestätigen. Sie betreuen in der Kindertagesstätte Kichererbsen, die heute von 12 bis 18 Uhr in ihren Räumen an der Düsseldorfer Straße 102 bis 104 ihren 30. Geburtstag feiert, 20 Kinder. Und dabei werden sie auch täglich mit den Sorgen und Nöten der Eltern, konfrontiert, die den Kindergarten in Form einer Elterninitiative mit finanzieller Unterstützung von Land und Stadt tragen.

Aus eigener Erfahrung wissen Celler, van den Boomen und Alagic, wie schwer Kinder und Beruf miteinander zu vereinbaren sind, allen politischen Lippenbekenntnissen zum Trotz. Und das hat aus ihrer Sicht nicht nur damit zu tun, dass die Arbeitszeitanforderungen der meisten Arbeitgeber mehr Flexibilität verlangen, als sie die vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen bieten können und als es dem Familienleben mit Kindern gut tut, sondern auch mit der Finanzierbarkeit von Familien.

Celler macht sich keine Illusionen darüber, dass man mit einem Erzieherinnengehalt von monatlich netto 1300 oder 1400 Euro keine Familie ernähren könnte. „Deshalb bekommt man in diesen Beruf auch so gut wie keine Männer, was sehr schade ist, weil es etwas ganz anderes ist, ob ein Erzieher oder eine Erzieherin mit den Kindern Fußball spielt“, stellt sie fest. Obwohl Celler Kinder liebt und leidenschaftlich gerne mit ihnen arbeitet, hat sie selbst auf die Gründung einer eigenen Familie verzichtet, „weil ich mich niemals von einem Mann abhängig machen wollte.“

Van den Boomen weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell Kinder und Karriere miteinander in Konflikt geraten können. Die zweifache Mutter, die seit vier Jahren als Hilfserzieherin bei den Kichererbsen arbeitet, hat Betriebswirtschaft studiert und früher als Managerin für eine Modekette gearbeitet. Doch nach einer längeren Familien- und Erziehungspause konnte sie nicht auf ihren alten Posten zurückkehren und musste notgedrungen in ihrer alten Firma als Verkäuferin arbeiten. Doch weil die auf größtmögliche Flexibilität fixierten Arbeitszeitanforderungen nicht mit ihrem Familienleben zu vereinbaren waren, gab sie ihren Job auf und arbeitet jetzt seit vier Jahren als Erzieherin bei den Kichererbsen: „Ich fühle mich hier sehr wohl und habe mich gut damit abgefunden und engagiere mich nebenbei in der Elternpflegschaft der Klostermarktschule“, erzählt van den Boomen. Doch sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit ihrer 15-Stunden-Stelle keine Familie ernähren könnte und deshalb froh ist, dass ihr Mann als Manager relativ gut verdient.

Auch ihre Kollegin Alagic, die zwar noch keine Kinder hat, aber gerne irgendwann Mutter würde, weiß, dass ihr Gehalt als Erzieherin für eine Familie nicht ausreichen würde und sie deshalb auf einen gut verdienenden Ehemann angewiesen wäre.

Was müsste also passieren, damit mehr Frauen und Männer Mut haben, Eltern zu werden? Für Celler, van den Boomen und Alagic ist das keine Frage: Die Kinderbetreuung in Kindertagesstätten und in den offenen Ganztagsgrundschulen müssten flexibler und kostenfrei sein. Arbeitgeber müssten akzeptieren, dass auch männliche Vollzeit- und Führungskräfte Elternzeit nehmen. Außerdem sollten sie mehr Teilzeitarbeitsplätze bereitstellen, die so gut gestaltet und bezahlt wären, dass Frauen und Männer wirklich gleichberechtigt Familie und Beruf miteinander verbinden und so im Alltag mehr Zeit für die Erziehung ihrer Kinder gewinnen könnten.

„Denn wir können hier immer nur ergänzende Erziehungspartner sein, aber die Eltern nicht ersetzen“, betont Celler. Sie weiß genau, unter welch starkem Druck gerade Frauen im Dreiecksverhältnis zwischen den Anforderungen als Arbeitnehmerin, Mutter und Ehepartnerin stehen.

Als sie vor 30 Jahren ihre Arbeit bei den Kichererbsen begann, waren nur zwei von 20 Müttern berufstätig. Heute sind nur noch zwei von 20 Müttern nicht mehr berufstätig. Dennoch sind es aus ihrer Sicht immer noch vor allem die Frauen, die Familienarbeit und das Engagement für die Kita leisten.