Eine Überraschung ist es zwar nicht, aber wenn die Zahlen schwarz auf weiß auf gut 1200 Seiten ausgebreitet werden, ist das schon ernüchternd. Zum Ende des Jahres 2012 hat die Stadt 92 Millionen Euro mehr ausgegeben als sie eingenommen hat. Geplant hatte man Anfang 2012, ohnehin schon wenig ehrgeizig, mit einem Fehlbetrag von 60 Millionen Euro. Das geht aus der Jahresrechnung der Stadt hervor, die natürlich, je nach Betrachtung, kosmetische Korrekturen erlaubt.

1. Mitte des Jahres hatte man das Plandefizit schon freiwillig auf 71 Millionen Euro angehoben. Legt man das zugrunde, fällt das tatsächlich erreichte Zahlendebakel mit 21 Millionen Euro etwas kleiner aus.

2. Im Lauf des Jahres wurden die Abwasserbetriebe und der Immobilienservice wieder in Ämter umgewandelt. Das brachte, rein buchhalterisch, beim Abwasserbetrieb einen rechnerischen Ertrag von 17 Millionen Euro und beim Immobilienservice ein theoretisches Minus von 8 Millionen Euro mit sich, unterm Strich also könnte man die Bilanz um neun Millionen Euro aufhübschen.

3. 2011 war alles noch viel, viel schlimmer, damals betrug die Kluft zwischen Plus und Minus 132 Millionen Euro.

Die Gründe, warum das Sparziel gerissen wurde, sind vielfältig und alleine schon 1200 Seiten wert. Sinkende Gewerbesteuereinnahmen werden da aufgeführt und 32,2 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr für Zinszahlungen abflossen. Denn: Die Stadt hat zwar Geld, nie aber zur richtigen Zeit in der richtigen Menge. Die Kassenkredite, der Dispo der Kommunen, kletterte daher auf eine Gesamtsumme von 700 Millionen Euro; mehr als der ganze Haushalt mit seinem Volumen von 550 Millionen Euro.

Viele Nöte aber sind hausgemacht. So stiegen, trotz Nothaushalt und also angeblich eiserner Kostendisziplin, die Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen um 21,6 Millionen Euro. Der Löwenanteil geht dabei auf den jahrelang vernachlässigten Brandschutz in Schulen und Kindergärten zurück, der jetzt mit horrendem Aufwand geleistet werden muss. Weiter: Die Personalkosten stiegen um 10,3 Millionen Euro, unter anderem, weil der Tarifabschluss höher als erwartet ausfiel und weil die oben genannten Betriebe samt Pensionsansprüchen ja wieder rekommunalisiert wurden. Allerdings: Das Anfang 2012 ausgegebene Ziel, 270 Planstellen einzusparen, haben Stadtverwaltung und Politik auch im vorigen Jahr wieder aus dem Auge verloren.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Dabei waren die Rahmenbedingungen für erfolgreiches Haushalten lange nicht mehr so gut wie im vorigen Jahr. Die Zinsen verharren im Rekordtief, gleichzeitig haben Bund und Land die Konten aufgemacht und fleißig geholfen; das Land noch viel mehr als der Bund, aber selbst die Bundesregierung steht für Erleichterungen bei Hartz IV oder Wohnungsbeihilfen im zweistelligen Millionenbereich.

Genutzt hat es unterm Strich nichts. Im Gegenteil. Und Projekte wie das neue Fußballstadion samt Kosten von 12 Millionen Euro kommen ja erst noch. Die Risiken werden ohnehin kaum kleiner, etwa durch den Kurs- und Dividendenfall der RWE-Aktien, während das ganz große Ziel unverändert bleibt. 2020 müssen Mülheims Ausgaben im Lot und die Defizite obendrein abgebaut sein. Wie man das schaffen will? Ist nach dem Desaster im eigentlich fetten Jahr 2012 rätselhafter als es vorher schon war.

Was im Versagensfall passiert, ist aber klar. Dann büßt Mülheim seine Selbstständigkeit ein.