Nur verkehrspolitische Dinosaurier mit Vorstellungen der 1960er Jahre würden darauf kommen, die Straßenbahn im Jahre 2013 komplett aufs Abstellgleis zu schieben. Der Nordast der 110 wäre der einzige, wo sich eine Stilllegung vielleicht noch lohnen würde – vorausgesetzt, die Busse erschließen die Gegend besser als die 110 heute. Bei allen anderen Strecken würde eine Umstellung auf Bus zu unerträglichen Bedingungen führen.
Das übrige Netz des Schienenverkehrs ist für Mülheim unverzichtbar: die 102 mit ihren Schülermassen nach und aus Dümpten und Broich. Die 104, die teils dicht besiedelte Einzugsgebiete an Kaiser- und Aktienstraße hat. Die 112 als Hauptverkehrsmittel fürs dicht besiedelte Styrum. Die U18 als schnelle und einzige Stadtbahn-Verbindung Heißens mit den Stadtmitten von Mülheim und Essen. Die 901 als Zubringer von Studenten zur Uni Duisburg und zur neuen Hochschule Ruhr West.
Bei dem Ast der 104 zum Flughafen wäre zwecks Kosteneinsparung auf Teilstrecken eine nur eingleisige Sanierung denkbar, da der 20-Minuten-Takt dort auf jeden Fall ausreicht.
Zur U18: Da meine Familie und ich diese Linie täglich benutzen, hatten wir schon während der monatelangen Sperrung wegen Bergschäden die große Freude zu erfahren, was es heißt, wenn die U-Bahn durch Busverkehr auf der Hingbergstraße ersetzt wird, der zum Hauptbahnhof zeitraubende Umwege nutzen muss. Ähnliches blüht anderen Fahrgästen, die heute mit der Straßenbahn fahren: überfüllte und noch mehr unpünktliche Busse, die Umwege über enge Straßen zu fahren hätten. Einige der Strecken verlaufen auf eigenem Bahnkörper oder gar im Tunnel. Die Bahn fährt am Stau vorbei, während der Bus sich in die Autoschlange einzureihen hätte. Es wären mehr Busse als heute Straßenbahnen nötig, um das Angebot aufrechtzuerhalten.
Des Weiteren wäre die Umstellung der Straßenbahn auf Bus auch ein Attraktivitätsverlust für den gesamten ÖPNV. Eine Straßenbahn fährt ruhiger als ein Bus, das empfinden die Leute als komfortabler, die Fachliteratur spricht auch vom Schienenbonus der Straßenbahn, die deswegen mehr Fahrgäste anzieht. Ist man nicht an steigenden Fahrgastzahlen interessiert?
Will man in Mülheim etwa noch mehr Parkplatzprobleme in der Innenstadt schaffen, wenn man die Leute so in die Autos treibt? Und was ist mit denen, die kein Auto haben, wie Schüler, Rentner oder Leute, die sich kein Auto leisten können? Ein funktionierender ÖPNV ist auch ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft.