Auf den ersten Blick könnte man nicht behaupten, dass in Mülheim Frauen in der Politik keine Chance hätten. Immerhin ist es die Heimatstadt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die städtischen Amtsgeschäfte werden schon seit Jahren von Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld geführt. Und mit Ulrike Flach hatten die Liberalen auch eine Vertreterin im Bundestag, die es immerhin bis zur Staatssekretärin gebracht hat. Der Frauenanteil in den Ratsfraktionen der Altparteien ist dagegen recht erbärmlich. Bei der SPD sind lediglich drei von 20 Stadtverordneten weiblich. Bei der CDU sind es immerhin fünf von 15 und bei der FDP nur eine von sechs. Nur bei den Grünen haben die Frauen derzeit die Mehrheit.
Brauchen Frauen also Nachhilfeunterricht, damit sie sich erfolgreicher politisch engagieren können? Oder wirkt die ritualisierte Form von Politik in Gremien und Ortsverbänden vielleicht auf Frauen einfach nicht attraktiv, da sie mehr Interesse an der Veränderung haben als an der eigenen Profilierung?
Die Gleichstellungsstellungsstelle der Stadt und die Volkshochschule (VHS) bieten gemeinsam eine zunächst auf drei Termine angelegte Seminarreihe an. Sie möchte Frauen zu politischem Engagement motivieren. Damit gehen sie auf eine Anregung aus dem Gleichstellungsausschuss ein und knüpfen an eine ähnliche Veranstaltungsform an, die früher schon einmal, allerdings ohne auswärtige Referenten, angeboten wurde. Die Seminarreihe ist zunächst auf drei, jeweils zweieinhalbstündige Termine (immer samstags von 10.30 bis 13 Uhr) angelegt. Erste Anmeldungen sind bereits eingegangen.
Keine Parteiförderung
An Parteienförderung sei dabei aber nicht gedacht worden, stellt die Gleichstellungsbeauftragte Antje Buck fest. Das sollen die Parteien schon selbst machen. Aber es gebe noch andere Formen für Engagement, gemeinsam in Organisationen oder auch ganz privat. Erstaunlich sei für sie vielmehr die Unkenntnis vieler, durchaus gebildeter Menschen, über das, was auf kommunaler Ebene entschieden werde und welche Möglichkeiten es gebe, darauf Einfluss zu nehmen. Viele unterschätzten das, wie sie auch aus vielen privaten Gesprächen weiß. Die denken immer gleich an den Bundestag in Berlin oder zumindest an den Landtag in Düsseldorf. Dabei werde vieles vor Ort entschieden, was die Lebensbereiche ganz unmittelbar berühre, von den Kitas bis zu Bebauungsplänen. Über die Möglichkeiten, wie Frauen sich einmischen können, kommt am ersten Termin (14. September) Christel Steylaers mit den Teilnehmerinnen ins Gespräch. Sie ist ebenso wie Buck Landessprecherin der Gleichstellungsbeauftragten und kümmert sich ansonsten um Frauenbelange in Remscheid. Neulich war sie in Hilden Sparringspartnerin von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
Die Referentin des zweiten Termins (12. Oktober) hat es gleich zwei Mal in einer Männerdomäne geschafft: einmal als promovierte Naturwissenschaftlerin, außerdem als Stadträtin in Duisburg. Im Stadtrat sitzt sie seit 2009 für die Wählerinitiative Sozial Gerecht und Unabhängig, für die sie 2009 bei der Oberbürgermeisterkandidatin, allerdings nur 0,9 Prozent der Stimmen errang. Im dritten Teil (9. November) geht es um Extremismus, was zum Termin, aber nicht zum Thema passt. Buck sieht das anders. In der rechten Szene seien auch Frauen aktiv, würden immer wieder unterschätzt. Deshalb würden die Frauen von den Organisationen auch gerne eingespannt. Die Teilnehmerinnen sollen auch für den Alltag sensibilisiert werden. Wenn sie einen radikalen Spruch hören, sollen sie den nicht beiseite wischen, sondern ernst nehmen und am besten gegenhalten. Mit Rena Kenzo konnte Buck eine Journalistin gewinnen, die sich mit der rechten Szene und auch dem Fall Beate Zschäpe auseinandergesetzt hat.