Wieder verlassen Geschäfte die Innenstadt: Das Atelier Goldlinie macht nach 25 Jahren zu. Der Jeansladen Outfit zieht ins Einkaufszentrum Forum um
Der Nekrolog der Geschäfte in der Innenstadt muss um zwei weitere Einträge ergänzt werden. Bei diesen Verlusten ist es besonders bitter, weil die Geschäftsinhaber nicht aus wirtschaftlichen Gründen das Handtuch werfen. In einem Fall zieht der Händler ins Forum um. Eine solche Kannibalisierung ist kein Einzelfall. Zuletzt wurde Voswinkel aus der Innenstadt abgeworben, zuvor war es unter anderem Ernstings Family. Das Center kann mit einer Frequenz punkten, die für Lebendigkeit sorgt, und auch bei den Mieten kann das Management dort flexibler handeln als ein einzelner Eigentümer.
Im anderen Fall sind persönliche Gründe die Ursache. 25 Jahre lang hatte das Atelier Goldlinie einen Glanzpunkt im örtlichen Handel gesetzt – ursprünglich an der Wallstraße, dann knapp zehn Jahre am Löhberg. Erst kürzlich hatte der alteingesessene Juwelier Struwe an der Leineweberstraße geschlossen. Die Goldschmiede ist aber noch einmal etwas anderes. Die ausdrucksstarken Unikate aus naturbelassenen und ausgewählten Materialien interessierten auch Kunden außerhalb Mülheims. „Da wir auf Messen präsent waren, hatten wir auch Kunden in Süddeutschland“, erzählt Petra Wiener, die das Atelier nach dem frühen, tragischen Tod der Gründerin Annette Kunze-Schumann 2009 auf der handwerklichen Seite weitergeführt hat. Inhaber des Geschäfts blieb aber der Witwer Peter Schumann, der jetzt unter das Kapitel einen Schlussstrich zieht. Seit zwei Wochen laufen in dem Geschäft schon Rabattaktionen. Inzwischen sind die Vitrinen im Geschäft schon ziemlich geleert, was dem Laden eine trostlose Atmosphäre verleiht. Petra Wiener hatte zunächst mit dem Gedanken gespielt, den Laden zu übernehmen, wollte sich das dann aber doch nicht aufbürden. Die Mülheimerin fand inzwischen eine Anstellung bei einem anderen Goldschmied in der Stadt. Ende des Monats ist dann am Löhberg endgültig Schluss. Eigentümerin Janet Kempken sucht jetzt für das 70 Quadratmeter große Ladenlokal (Zustand „tip-top“)einen Mieter, möglichst aus dem kreativen Bereich, der zum guten Umfeld der Straße passt. Einige Interessenten hätten sich bereits gemeldet, die für sie aber nicht in Frage gekommen seien.
Nach 33 Jahren in der Innenstadt schließt auch Mitte September der Jeansladen Outfit am Kohlenkamp und zieht im Forum ins Obergeschoss. Warum? Inhaber Volker Spliethoff zieht die Schultern hoch und zeigt mit der Hand nach draußen, um deutlich zu machen, dass die Entwicklung ihm keine andere Wahl lässt. Den Niedergang der Innenstadt hat der 44-Jährige, der das Geschäft 2007 von seinen Eltern übernommen hat, miterlebt. „Stellen Sie sich vor: Sie drücken jemanden, der an der Zentralen Haltestelle aussteigt, 100 Euro in die Hand, die er ausgeben kann. Was soll der denn davon an der unteren Schloßstraße kaufen?“, fragt er und schaut erwartungsvoll. Gut in den Seitenstraßen und an der Leineweber Straße gebe es noch einige interessante Geschäfte, aber die untere Schloßstraße sei tot. „Da wissen Sie gar nicht, was Sie mit dem Geld bezahlen sollen.“ Für Fremde, die erstmals in die Stadt kommen, wirke das ganze Umfeld abschreckend.
Die Gründe sind aus seiner Sicht vielschichtig und die Möglichkeiten der Politik etwas zu ändern nur gering. Allerdings habe die Politik alles unternommen, um den Kunden aus der Stadt herauszuhalten. Verkehrsführung und Parken sind aus seiner Sicht wichtige Stellschrauben. Er würde sich eine grüne Welle in der Innenstadt wünschen, aber wer durch die Innenstadt zum Forum will, müsse oft an jeder roten Ampel stoppen. Bus und Bahn hätten eben Vorrang. Auch die Parkgebühren empfindet er als kundenfeindlich. „Warum sollen die Menschen in die Innenstadt kommen? Es ist nicht mehr das Mülheim, das sie geliebt haben“, sagt Spliethoff, auch er ist ein gebürtiger Mülheimer. Viele denken sich, dass sie besser gleich in ein Einkaufszentrum fahren. Im Forum weiß er, dass er eine hohe Kundenfrequenz und mit H & M, Deichmann, Kult und Voswinkel auch im Obergeschoss ein gutes Umfeld hat. Dort zieht er in das Ladenlokal, in dem früher der Buchclub zu finden war.