Leerstehende Ladenlokale gibt es sogar auch in Saarn an der Düsseldorfer Straße. Auf einem Modegeschäft sind noch die Markenaufkleber auf dem Schaufenster zu sehen. „Hier gab es immer tolle Sachen aus Leinen und Strickmoden. Dafür kommen wir seit Jahren aus Kettwig“, erzählt eine ältere Kundin, die mit ihrem Mann an dem Laden vorbeischlendert. Zur Schließung führten hier aber nicht mangelnde Umsätze, sondern gesundheitliche Probleme der Eigentümerin. „Hier in Saarn gibt es etwas anderes als die üblichen Ketten“, sagt die Kundin und schlendert weiter. Im Gegensatz zur Innenstadt ist der Leerstand hier aber kein strukturelles Problem. „Eine gewisse Fluktuation ist für einen lebendigen Stadtteil ganz normal. Der Leerstand ist ja nicht von langer Dauer“, sagt Teehändlerin Petty Theile, die sich am unteren Ende, nahe der evangelischen Kirche vor viereinhalb Jahren in einem schönen alten Fachwerkhaus selbstständig gemacht hat. Bereut hat die 40-jährige, die schon seit 20 Jahren im Teehandel aktiv ist, diesen Schritt nicht, zumal sie selbst im Stadtteil lebt. Im Grunde könne man hier nahezu alles, was man haben möchte, kaufen, stellt sie wie so viele ihrer Händlerkollegen fest. Kurzwaren, also Garn, Knöpfe oder einen Reißverschluss, für die man früher eben in den Kaufhof gegangen sei, suche man auch hier vergeblich. Aber wer näht heute noch selbst, könnte man erwidern.

Einen beharrlichen Leerstand gibt es hier dennoch, doch der fällt nicht weiter auf, denn er liegt in der zweiten Reihen und das ist auch das Problem. Seit einigen Monaten hat der Penny-Markt im Ringen mit den anderen Discountern und Lebensmittelmärkten als erster kapituliert. Aber die 800 Quadratmeter sind nicht leicht vermittelbar. Interessenten haben wegen dieser schlechten Lage schon abgewunken. Was in Frage käme, passt nicht so gut hier hin, meint Wirtschaftsförderer Tim Schiebold und denkt, dass man sich hier mit Kik & Co. wird abfinden müssen. Der schnittige Sport-Cabriolet mit Schweizer Nummernschild vor dem Metzger und die Golf-Taschen in einem Schaufenster signalisieren jedoch: Die Kunden sind zahlungskräftig.

Weitaus einfacher haben sich die beiden Leerstände gefüllt, die durch die Insolvenz von Lothar Buss, der sich mit seinem Chocolate-Room und der benachbarten Panini-Bar verhoben hatte, entstanden war. In dem einen Laden verkauft Nicole Pietschmann längst ihre Lieblingsstücke und nebenan sind gerade die Handwerker damit beschäftigt, für Otto Bittner aus Düsseldorf ein Café einzurichten. Doch wieder eine Kette und weniger Individualität. Ganz ohne Filialisten läuft es in Saarn eben auch nicht. Dort sind unter anderem anderem auch die Drogerie Rossmann und Ernstings Family vertreten.

Wir warten schon gespannt auf das neue Café“, sagt Sonja Biedenweg, die in einer kleinen Passage vor bald einem Jahr ihren Laden „Sobie“ mit Accessoires eröffnet hat. Vorher war sie mit ihrem Angebot 20 Jahre lang im Rhein-Ruhr-Zentrum vertreten. Verkehrte Welt. Eigentlich zieht es die Händler aus den Städten in die Zentren, weil dort die Kundenfrequenz höher ist. „Im Rhein-Ruhr-Zentrum wollen sie keine selbstständigen Händler mehr, nur noch Ketten. Dabei hat sich das Zentrum früher einmal dadurch ausgezeichnet, dass es dort kaum Filialisten gab“, erzählt sie. Die Kunden kämen in Saarn viel gezielter, seien freundlicher, die Situation viel familiärer und vor allem schätzt sie das Tageslicht. Ein Problem sei der Bus, der 132er, den die 46-Jährige am liebsten aus der Straße verbannen würde, weil schlecht oder falsch parkende Autos die Fahrt des Busses immer wieder zum Stocken bringe, was immer wieder zu Problemen führe. Daran ändere auch nichts, dass das Ordnungsamt hier fleißig Knöllchen schreibt, findet eine andere Händlerin, aber viele denken schon, dass der Bus für ältere Kunden eben doch unentbehrlich sei.

Alle Händler sind gespannt auf den 31. September. Dann hat der Wochenmarkt am Samstag Premiere. Es soll kein gewöhnlicher sein, sondern einer auf dem es sich lohnt zu verweilen, das eine oder andere essen oder trinken kann und der so etwas werden soll wie ein Treffpunkt. Und einige Händler in der Innenstadt sehen diesem Termin schon mit Unbehagen entgegen, weil sie fürchten, dass dann das letzte bisschen Kaufkraft aus der City gezogen wird. Wo gibt es das denn schon, dass der Stadtteil stärker ist als das Zentrum? Dann sollen auch die Öffnungszeiten um eine Stunde bis 15 Uhr ausgedehnt werden. „Viel zu wenig“, findet Berend Groot Baltink, der vor einigen Monaten in einer ehemaligen Traditionskneipe ein Fischlokal und da neben noch den passenden Imbiss eingerichtet hat. Am Samstag braucht man Zeit zum Shoppen.

„Ein bisschen wie in Rüttenscheid“, so stellt sich Brigitte Wennmann, den Markt vor. Sie selbst hat sich hier vor sieben Jahren mit den „Lampenträumen“ ihren eigenen Traum verwirklicht hat. Hochwertiges Design, maßgeschneiderte Lampenschirme, die auf die Wohnungen und die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt sind, bietet sie mit ihrem dreiköpfigen Team. Das Handwerk und die edlen Materialien haben ihren Preis. Gerade ist die 54-Jährige auf dem Sprung zu einer Kundin, die eine zwölf Meter hohe Lampe mit Blattgold-Elementen bestellt hat. Wer sich solch exquisite Handarbeit leistet, kommt auch aus Düsseldorf und Köln. Auf Laufkundschaft ist die Quereinsteigerin, die vor dem Schritt in die Selbstständigkeit 20 Jahre lang als Bankangestellte arbeitete, dennoch angewiesen. „In Styrum würde es nicht funktionieren.“

Neuland ist der Handel auch für Nicole Pietschmann mit ihren Lieblingsstücken. Längere Zeit hat sie einen passenden Standort in der Umgebung gesucht. Was nicht für sie in Frage kam, war die Innenstadt. Als sie nach mehreren Jahren in Berlin wieder ins Mülheimer Zentrum kam, schockierte sie die negative Entwicklung. Der Charme und die Gemütlichkeit in Saarn überzeugte sie. Für ihre Mode hat sie ein „Superumfeld“, auf der einen Seite die eingesessene Parfümerie Reichenbach mit potenten Kunden, auf der anderen Midori mit schicken Wohnaccessoires.

Aber es gibt auch eine Kehrseite: Die Mieten sind hoch. Für kleine Ladenlokale sind es oft 25 Euro/m². „Wir leben von Jahr zu Jahr“, sagt Radio-Fernsehtechniker Friedhelm Giesbert, der vor 40 Jahren das Geschäft gründete. Die Hälfte der Händler ist auch Immobilienbesitzer, die haben die Jahresmiete schon mal gespart. Die andere Hälfte sind Mieter, die müssen sich strecken. Durch die Konkurrenz durch Internet und Fachmärkte sind die Umsätze deutlich geschrumpft. Mit Beratung, Service und Kundendienst versucht der 67-Jährige zu punkten. „Ein Kampf ist es allemal.“