Barrierefreiheit ist sein Thema und seitdem die Behindertenbeauftragte der Stadt im Mai ihren aktiven Dienst mit Resturlaub und Vorruhestand aufgegeben hat, ist Alfred Beyer, der einzige, der ausdauernd und leidenschaftlich für dieses Thema streitet, lokal und seit einiger Zeit auch in Düsseldorf in einer Arbeitsgruppe der Landesregierung. Gerade Behindertentoiletten - ein Thema, das ihn schon seit langem bewegt. „Halbherzigkeit“ und teilweise sogar „Desinteresse“ wirft der 70-Jährige vielen Beteiligten von Politik, Verwaltung, Stadtmarketing-Gesellschaft und auch Mitarbeitern von Architekturbüros vor. Er klagt über zu viele Lippenbekenntnisse.

Zu den aktuellen Fällen, die nach einer Beschwerde einer Mutter einer behinderten Tochter in den Fokus gerückt wurden, kann er von seinem Urlaubsort in Süddeutschland nichts sagen, ist aber der Überzeugung, dass über die Jahre viel versäumt worden sei. „Plant man von Beginn an ein Haus barrierefrei, so würde das die Baukosten lediglich um zwei Prozent erhöhen.“ Richtig teuer werde es erst, wenn nachgerüstet werden müsse. Deshalb drängt Bayer immer, dass alle Beteiligten an einen Tisch kommen. Er ist der festen Überzeugung, dass sich alle Probleme beim Bau irgendwie gemeinsam beheben lassen. Seinen größten Erfolg sieht er in der gemeinsam mit Frank Buchwald vom städtischen Immobilien-Service entwickelten und vom Rat einstimmig verabschiedeten Checkliste für barrierefreies Bauen bei öffentlichen Gebäuden. Verbindlich seien die Kriterien dieser Liste, die auch schon außerhalb von Mülheims Stadtgrenzen auf Interesse gestoßen sei. Aber nicht immer halte man sich an diese Liste und behaupte gar diese oder den Ratsbeschluss nicht zu kennen. Im Gespräch mit mehreren Politikern habe er bereits darüber geklagt, sei aber auf kein großes Interesse gestoßen – unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Einzig bei der MBI sei er mit seiner Kritik auf Interesse gestoßen, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände.

Ärgernis Ringlokschuppen

Ein Ärgernis für ihn ist der Ringlokschuppen, der sich als Veranstaltungsort der integrativen Disco behindertenfreundlich präsentiere, aber nicht barrierefrei sei – zumindest außerhalb der Veranstaltungszeit. Denn die Behindertentoilette befindet sich im mittleren Teil der Gebäudes, der unabhängig von Veranstaltungen geschlossen sei. Als das Jedermann, die neue Gaststätte dort eingerichtet wurde, wollte er die Situation ändern und wurde von einem zum anderen Gesprächspartner geleitet, die sich alle für nicht zuständig erklärten. Jetzt sei die Situation für Rollstuhlfahrer nach wie vor misslich. Sie können sich auch an der Theke einen Schlüssel besorgen, dann können sie mit dem Fahrstuhl in die erste Etage. Aber das sei für viele zu kompliziert. Baudezernent Peter Vermeulen habe ihm jetzt ein Entgegenkommen signalisiert.

Er sieht ohnehin das Problem, dass viele Behindertentoiletten für fitte Rollstuhlfahrer, die ihren Oberkörper bewegen können geeignet sind, die auch auf einer normalen Toiletten zurecht kämen. Aber für diejenigen, die es besonders nötig hätten, die ihren Arm kaum über die Lehne heben könnten, sei es ebenso wichtig, dass alle Bedienungselemente auf 85 Zentimeter Höhe befestigt seien und die Toilettensitz von rechts und links erreicht werden könne. In diesem Zusammenhang bedauert er, dass von Architekten, wie ihm die Architektenkammer berichtet habe, Zusatzqualifikationen für behindertenfreundliches Bauen nur sehr selten genutzt würden und eine Trendwende nur sehr langsam in Gang komme.

Eine Zumutung

Der zweite Schwachpunkt in einem öffentlichen Gebäude sei das Caruso in der Stadthalle. In der Stadthalle selbst befinde sich zwar eine Behindertentoilette, doch das Caruso sei für Rollstuhlfahrer nicht zu erreichen. Bei Veranstaltungen werde auch nicht an Behinderte gedacht. Kürzlich habe er wieder Klagen von den „Weißen Nächten“ am Raffelbergpark gehört. Ein Toilettenwagen sei dort für alle aufgebaut. Behinderte müssten dagegen den weiten Weg ins Theater nehmen, wo die Tür der Behindertentoilette halb blockiert gewesen sei.

Auch in der Öffentlichkeit vermisst er Austrittsmöglichkeiten für Behinderte. „Die Toilette am Wasserbahnhof ist eine Zumutung“, befindet er und auch das Klo an der Leineweberstraße sei zu kompliziert. Im Medienhaus und im Forum gebe es zwar Toiletten, doch mit der Schließung der Geschäfte und der Einrichtung seien auch die Klos geschlossen. „Es sollte mal eine Toilettenkonferenz geben, nach einer Sitzung war aber schon wieder alles vorbei.“

Er ist froh, dass die Stelle der Behindertenbeauftragten der Stadtverwaltung jetzt nachbesetzt und nicht wie sonst üblich ein Jahr vakant bleibt. „Auch das war schon ein Kampf“, sagt er. Und bringt das, was Behinderte brauchen, so auf den Punkt:„Schwerbehinderte brauchen keinen Mercedes, aber ein Gogomobil darf es auch nicht sein.“ Bis dahin sei noch viel zu tun.