Mülheim..

Für das dritte Stadtspiel vom 13. bis 21. September nehmen die Kreativen gerade großen Anlauf. Und auch sonst ist einiges los im Ringlokschuppen. Holger Bergmann, Künstlerischer Leiter, gibt einen Ausblick auf das neue Projekt unter dem hintersinnigen Titel „Momentanindustrie“.

Was macht das Stadtspiel aus?

Holger Bergmann: Mit einem neuen Partner Urbane Künste Ruhr ist das Stadtspiel mit dem Titel „Momentanindustrie“ überschrieben. Angebunden an die Montanindustrie und die Veränderungen innerhalb der Produktion und der Industrialisierung des Ruhrgebietes, die ja bis heute entscheidenden Einfluss und Nachwirkungen hat. Unsere Stadtprojekte machen auch deutlich: Eine Stadt ist kein Wirtschaftsunternehmen und kein Konsensmodell, sondern sie ist viel eher eine Diversitätsmaschine.

Ein Strukturwandel jagt den nächsten. Wie kann man politische, strukturelle und wirtschaftliche Themen künstlerisch umsetzen?

Bergmann: Indem man mit sehr gegenwartsbezogenen Kunstformaten arbeitet, die mittlerweile ähnlich wie viele der wirtschaftlichen und ökonomischen Prozesse neue Produktionsformen und -formate entwickelt haben, die das Momenthafte viel stärker betonen. Gerade Theater hat ja etwas Momenthaftes.

Im Mittelpunkt steht die 14 x 5 Meter große Schwarze Fabrik vor der Dezentrale. Was muss man sich darunter vorstellen?

Bergmann: Die Schwarze Fabrik ist ein Projekt von Herrwolke, einem Urbanisten aus Berlin, und der Gruppe Invisible Playground, die im letzten Jahr das Ruhrzilla-Stadtspiel realisiert hat. Es wird in der Tat eine große Fabrik errichtet: Aus aufblasbaren Einzelteilen, die sowohl über Gruppenspiele wie auch übers Internet zu neuen Formen zusammengesetzt werden soll. Dabei kann jeder Mülheimer mitmachen. Entsprechend dazu gibt es Aktionstage. Über diesen Umbau der Fabrik kann man vorher in Planungsgruppen gemeinsam entscheiden.

Am neuen Stadtspiel sind viele, auch internationale Künstler beteiligt. Einige sind alte Bekannte.

Bergmann: Ja, die Gruppe Ligna ist mit einem Stadtrundgang dabei und hat dazu einen Audio-Walk erarbeitet. Dann haben wir u.a. Künstler aus der Schweiz (knowbotiq), die eine Figur im Tarnanzug erschaffen haben, die gemeinsam bewegt wird.

Welche Prozesse soll die Kunst in Gang setzen?

Bergmann: Wir haben diesmal den Schwerpunkt auf die Veränderungen der Produktionsprozesse und der Frage nach Arbeit gelegt. Wir erleben zur Zeit, dass sich der Begriff von Arbeit radikal verändert. Und damit natürlich auch unsere Vorstellungen von dem, wie wir leben können. Was kommt nach der großen Wachstumsphase, wenn eine Gesellschaft an Grenzen gerät?

Mit welchen Format soll dieses große Thema gefüllt werden?

Bergmann: In der Dezentrale wird es Gespräche mit Experten und eine Ausstellung zur Arbeit mit ihren veränderten Bezügen geben. Es werden auch Beispielprojekte vorgestellt wie Tauschbörsen oder Regionalwährungen. Beispiele für Möglichkeiten, neue Modelle zu finden. Da ist das Grundeinsingen mit einem Chor ein Format, was Bernadette La Hengst bereits bei den „Impulsen“ erprobt hat.

Wie ist es finanziell um die Spielzeit bestellt?

Bergmann: Wie jedes Jahr stehen wir vor der Herausforderung, sehr viele unserer Programme über Projektmittel und Drittmittel zu finanzieren: Die Region, das Land, die Kunststiftung sind wichtige Partner. Wie man sich in finanziell schwierigen Zeiten vorstellen kann, wird es nicht einfacher, diese Mittel zu bekommen. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir „Momentanindustrie“ wieder mit der Unterstützung des Landes, der Stiftung Ruhr.2010 und Urbane Künste Ruhr völlig ohne kommunale Mittel realisieren konnten. Genauso wie unser Projekt Dezentrale, das mittlerweile fester Bestandteil in der Innenstadt ist und viele Dinge im soziokulturellen Bereich ermöglicht.