Mülheim.

Der Wunsch, mit einem Greifvogel zu jagen, war Auslöser für die Reise meines Lebens: Wir fuhren mit dem Auto nach Pakistan, um dort einen Falken zu beschaffen.

Schon als Jugendlicher begeisterte ich mich mehr und mehr für das Hobby meines Vaters, die Falknerei. Er hielt Ende der 1960er Jahre einige heimische Greifvögel, die ihm gebracht worden waren, um sie gesund zu pflegen. Daraus entwickelte sich der Wunsch, sie frei fliegen zu lassen und auch mit ihnen zu jagen. Dann bekam er durch die Vermittlung eines befreundeten Falkners einen Sakerfalken aus Pakistan geschickt. Sie werden bis heute in arabischen Ländern bevorzugt als Beiz-, also Jagdvögel verwendet.

Nachdem auch ich einige Greifvögel wie Turmfalke oder Mäusebussard, die sich nicht unbedingt zur Jagd eignen, bis zum Freiflug abgetragen (d.h. falknerisch: abgerichtet) hatte, reifte in mir der Wunsch, mit einem großen Falken zu jagen. Den Falknerjagdschein hatte ich bereits erworben. Da zu dieser Zeit der einzige einheimische, zur Jagd geeignete Falke, der Wanderfalke, sehr selten und zu einer bedrohten Art geworden war, wollte ich versuchen, mir einen Sakerfalken zu beschaffen.

Brieflich hatte ich den pakistanischen Falknern und Fängern meine Besuchspläne angekündigt. Bei der Routenplanung wurde deutlich, dass auf dieser Tour viele Länder, andere Kulturen und Landschaften mit touristisch äußerst interessanten Sehenswürdigkeiten zu erleben sein würden. So wurde aus der reinen „Beschaffungsfahrt“ eine Studienreise in den Orient, die gründlich vorbereitet sein wollte.

VW-Bulli umgebaut zum Campingbus

Also fing ich mit der Reiseplanung an und konnte im August 1972, zusammen mit meiner heutigen Ehefrau Monika, zur großen Fahrt aufbrechen. Ich hatte 1970 mein Ingenieurstudium abgeschlossen, sofort einen Job gefunden und konnte dadurch und mit Unterstützung meiner Partnerin das Geld für unser erstes gemeinsames Auto zusammensparen.

Allerdings dauerte es noch ein volles Jahr, bis der Transporter in Heimarbeit zum Campingbus umgebaut worden war und die umfangreichen Reisevorbereitungen (Visa-Beschaffung, Impfungen, internationale Führerscheine, Zollpapiere für das Auto, Reiseschecks, Devisen, Film- und Fotoausrüstung etc.) abgeschlossen waren.

Die Route führte über Österreich, Jugoslawien, Bulgarien, Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan nach Indien. Die Rückreise sollte uns dann auch durch einige Länder in Nahost führen, wie Syrien, Libanon, Jordanien und den Irak. Wir nahmen jedoch trotz vorhandener Visa davon Abstand, da wegen der Geiselnahme von Israelis während der Olympischen Sommerspiele in München 1972 durch palästinensische Terroristen Reisewarnungen für diese Staaten ausgegeben worden waren.

Fahrzeugprobleme bei Wüstendurchquerung mit extremer Hitze

Die Reise war neben unvergesslichen Eindrücken leider auch geprägt von einigen Problemen mit dem Fahrzeug. Den ersten (von sieben) Reifenschäden erlitten wir in Persien bei hohen Asphalttemperaturen; Teile der Lauffläche lösten sich von der Karkasse. Der nur 34 PS schwache, luftgekühlte Boxermotor des Bullis hatte nicht nur mit der Last des voll beladenen Wohnmobil reichlich zu tun, sondern auch mit extremen Temperaturunterschieden von plus 40 Grad in der iranischen Kavir-Wüste bis zu minus 25 Grad im türkischen Erzurum zu kämpfen.

Vor allem machten ihm die vielen Anstiege in den Gebirgen und die oben dünner werdende Luft ordentlich zu schaffen. Steigungen konnten teilweise nur im ersten Gang bewältigt werden. So verwundert es nicht, dass im Osten Indiens der Motor schließlich anfing, ungewöhnliche Geräusche zu machen, und die Motorleistung nachließ. Wir schafften es bis nach Kalkutta, wo wir eine Werkstatt mit sehr freundlichen indischen Monteuren fanden, die unser „Heim“ wieder in Stand setzten.

Berühmte Altertümer, besondere Kulturen, bizarre Landschaften 

Wir lernten auf unserer Fahrt durch den Orient andersartige Kulturen mit vielen freundlichen Menschen kennen, sahen bedeutende Städte (Istanbul, Ankara, Teheran, Isfahan mit wunderschönen Moscheen) mit pulsierenden Basaren und duftenden Märkten. Wir besuchten berühmte Altertümer wie Ephesus in der Türkei und Persepolis im Iran. Die Eindrücke durch bizarre Landschaften, wie Steppen, karge Gebirge, ausgetrocknete Salzseen, Wüsten und menschenleere Strände am Schwarzen und Kaspischen Meer, brannten sich für immer in unsere Köpfe.

Die Fahrt über den Chaiberpass (1070 m) zwischen Afghanistan und Pakistan wurde noch einmal zu einer echten Herausforderung auf einer einspurigen, kurvenreichen, nicht asphaltierten, steil abschüssigen Bergstraße mit reichlich LKW- Verkehr. Endlich erreichten wir unser ursprünglich geplantes Ziel: das Fanggebiet der Falken im pakistanischen Punjab.

Bei Trappern in Pakistan angekommen

Wir wurden von den Falkenfängern bereits erwartet, durften zwei Wochen mit ihnen zusammenleben, konnten dadurch einen Einblick in ihre Lebensgewohnheiten und in die diversen Fangmethoden gewinnen. Wir schliefen unter freiem Himmel, bewunderten nachts die atemberaubende Sternenvielfalt der Milchstraße.

Die Tage verbrachten wir meist in ihren schattenspendenden Unterständen in den Steppen des Punjab. Die hungrigen Falken, die sich zur Fangsaison auf dem Zug aus den nördlichen Brutgebieten in China und Russland zu den südlichen Winterquartieren in Indien und Pakistan befinden, werden mit verschiedenen Lockvögeln angelockt und mit speziellen Netzen oder Schlingen gefangen.

So war es während unseres Aufenthaltes möglich, mehr als ein Dutzend Saker- und Wanderfalken zu fangen. Obwohl fast alle dieser Vögel für den Verkauf an Araber bestimmt waren, konnte ich meinen ersten Sakerfalken erwerben und bekam als Freundschaftsbekundung noch einen Wüstenfalken geschenkt.

Falken per Flugzeug nach Deutschland geschickt

Die Falken schickte ich per Flugzeug von Lahore aus nach Deutschland, wo sie von meinem Vater in Empfang genommen wurden. Wir taten unseren neu gewonnenen Freunden noch den Gefallen, quer durchs Land zu fahren, um von anderen Fängern eingefangene Falken abzuholen.

Wir starteten mit gemischten Gefühlen, denn die Pakistaner hatten sich extra zu unserer Sicherheit, wie sie betonten, mit zwei Revolvern und reichlich Munition eingedeckt. Glücklicherweise musste von den Waffen nie Gebrauch gemacht werden; sie wurden später lediglich für Erinnerungsfotos umgeschnallt. Schweren Herzens verabschiedeten wir uns von den pakistanischen Freunden zur Weiterfahrt nach Indien.

Indien, ein anderer Kulturkreis

Dort erlebten wir wieder andere Menschen, Landschaften, tropische Vegetation und eine neue Kultur mit den Hauptreligionen Hinduismus und Buddhismus.

Bei unsere Rundfahrt durch Indien mit dem Besuch der großen Sehenswürdigkeiten sahen wir sowohl Reichtum als auch größte Armut; besonders bei der Fahrt durch Vorort-Slums der Millionenstädte Städte Kalkutta und Mumbai. Wir besuchten im Süden Indiens eine Familie, Freunde eines Arbeitskollegen, die sich tagelang rührend um uns kümmerte und eine mehrtägige Tour durch den tropischen Regenwald Südindiens organisierte.

Nach 35.000 Kilometern glücklich wieder zu Hause

Die Reisedauer betrug fünf Monate. Am Tag vor Weihnachten kamen wir nach 35.000 gefahrenen Kilometern gesund und um viele Erfahrungen reicher in unserer Heimatstadt Mülheim an.

Die Falken wurden von mir abgetragen und erfolgreich eingesetzt. Die Falknerei ist im Übrigen auch heute noch meine große Leidenschaft. Wir unternahmen später noch weitere Reisen in andere Teile der Welt; doch diese erste war zweifellos „die Reise unseres Lebens“.