Das ist eine juristische Gratwanderung, die bald am Amtsgericht geklärt werden soll. Der Anlass, an dem ein Mülheimer Bestattungsunternehmen beteiligt war, liegt schon drei Jahre zurück.
Der letzte Weg kann lang werden, wenn er zum Rechtsweg wird. Das muss jetzt ein Mülheimer Bestatter erfahren, der nach eigener Aussage einen Aufbahrungs- und Bestattungsauftrag nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt hat und sich trotzdem dem Vorwurf ausgesetzt sieht, die Totenruhe gestört zu haben. Der Auftrag um den es geht, liegt fast drei Jahre zurück.
Grundlage der Hauptverhandlung, die am 13. August im Amtsgericht an der Georgstraße eröffnet wird, ist der Paragraph 168 des Strafgesetzbuches. Der Mülheimer Bestatter, der namentlich nicht genannt werden möchte, und sein Anwalt, können den Vorwurf der Störung der Totenruhe nicht nachvollziehen, der zunächst von der Staatsanwaltschaft Kleve-Moers und jetzt von der Staatsanwaltschaft Duisburg erhoben wird.
Rückblende: Vor etwa drei Jahren stirbt ein Mann in einem Hospiz am Niederrhein. Weil seine Angehörigen in Mülheim leben und er dort beigesetzt werden soll, erhält der Mülheimer Bestatter den Auftrag, den Leichnam dorthin zu überführen. „Machen Sie alles, damit wir uns vernünftig von unserem Vater und Mann verabschieden können“, erinnert sich der Bestatter an den Auftrag der Hinterbliebenen. „Ich habe alles in Abstimmung mit den Angehörigen und zu ihrer vollsten Zufriedenheit ausgeführt“, versichert er. „Damit sie mit einem vernünftigen Bild von ihrem Angehörigen nach Hause gehen konnten“, musste der Bestatter, wie üblich, Wasser aus dem Bauchraum des Verstorbenen herausziehen und diesen desinfizieren, in diesem Fall mit einer formalinhaltigen Substanz.
Nach der Aufbahrung in Mülheim wurde der Leichnam zur Einäscherung nach Hamm gebracht. Dort stellte der zuständige Amtsarzt mit Blick auf den Totenschein fest, dass zwar eine „natürliche Todesursache“ attestiert war, der Mann aber kurz vor seinem Tod gestürzt war. Der Arzt verständigte die Polizei und die ließ nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Kleve-Moers den Leichnam in Duisburg rechtsmedizinisch untersuchen. Die Untersuchung bestätigte die natürlichen Todesursache zwar, belegte aber auch, dass im Körper Formalin enthalten war, was den Verwesungsprozess verzögert. Ein unerlaubter Eingriff in die Totenruhe?
Die Staatsanwaltschaft in Kleve-Moers befragte die Angehörigen des Verstorbenen und erhob Anklage am Amtsgericht Rheinberg. Das erklärte sich aber für nicht zuständig und übergab den Fall deshalb an das Amtsgericht Mülheim, weil hier der beschuldigte Bestatter tätig ist. Der sieht seinen desinfizierenden Eingriff in den Leichnam jedoch nicht als Störung der Totenruhe, sondern als Teil der von den Angehörigen verlangten hygienischen Grundversorgung.
Ein Kollege des Bestatters sieht den Fall als juristische Gratwanderung. Er sagt, dass der Einsatz formalinhaltiger Desinfektionsmittel für Aufbahrungen in unseren Breitengraden nicht üblich sei. Diese würden nur eingesetzt, wenn Leichen in tropische Länder oder nach Asien überführt werden müssten. Nur so könne man eine vorzeitige Verwesung vermeiden. Ob es am 13. August zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht kommt, ist noch nicht sicher. Der Bestatter, der an diesem Tag im Ausland weilt, und sein Anwalt wollen Vertagung beantragen.